Kalkulierbares Risiko

Die SPD-Basis entscheidet über Schwarz-Rot

von Lothar Leuschen​

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Kalkulierbares Risiko
 
Die SPD-Basis entscheidet über Schwarz-Rot
 
Von Lothar Leuschen
 
Basisdemokratischer geht es kaum. Nachdem Politikprofis wochenlang die Köpfe zusammengesteckt und einen gemeinsamen Regierungsweg beschrieben haben, werden nun politisch interessierte Laien befragt, ob die neue Regierung ihren gemeinsamen Weg beschreiten darf. Die SPD schreibt in den nächsten Tagen ihre gut 350 000 Mitglieder in der Hoffnung an, daß die Mehrheit ihrer Parteimitglieder der Neuauflage einer schwarz-roten Koalition grünes Licht gibt. Während die CSU diese Formalität durch ein einstimmiges Votum des Vorstandes bereits erledigt hat und der kleine Parteitag der CDU keine Hürde sein dürfte, beeilt sich selbst das linke Spitzenpersonal der Sozialdemokratie, den ausgehandelten Koalitionsvertrag zu würdigen. Daß sie dabei ebenso Selbstkritik wie Ehrlichkeit walten lassen, spricht dafür, daß die Ralf Stegners der SPD erkannt haben, daß es auch für die deutsche Sozialdemokratie um einiges geht. Deshalb betont etwa Stegner, daß die Verhandler der SPD angesichts eines Ohrfeigenergebnisses von kaum mehr als 16 Prozent erstaunlich viel „Rotes“ herausgeholt haben. Tatsächlich ist es der SPD immerhin gelungen, das Rentenniveau festzuschreiben, und auch sonst halten sich unliebsame Einschnitte in Grenzen. Daß es mit dem Bürgergeld nicht weitergehen konnte wie bisher, war selbst den meisten eingefleischten Sozialdemokraten klar.
 
Schwer verdaulich ist anscheinend allein der etwas rauere Grundton in der Migrationspolitik. Die Jusos beschreien bereits den moralischen Untergang des Abendlandes. Daß aber ein deutliches Ja der Parteibasis zur Kooperation mit CDU und CSU am Veto der Jusos nicht scheitern wird, liegt bei näherer Betrachtung auf der Hand. Politik wird in Deutschland immer noch für die ältere Generation gemacht, das garantierte Rentenniveau und die Mütterrente sind dafür beredte Beispiele. Das hat letztlich auch damit zu tun, daß das Durchschnittsalter auch der SPD-Mitglieder die Marke 60 Jahre überschritten hat. Das Thema Migration prüfen ältere Menschen hüben wie drüben mehrheitlich am Grad der inneren Sicherheit und daran ab, daß sich nicht zu viel zu schnell verändern möge. Deshalb ist die Mitgliederbefragung der SPD ein kalkulierbares Risiko.
 
 
Der Kommentar erschien am 11. April in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.