Nachrichten

von Erwin Grosche

    Karl-Heinz Köpcke - Foto © Frank Becker

Nachrichten
 
Ich staune immer, daß in den Nachrichten von 7 Uhr genau das gleiche passiert ist wie in den Nachrichten von 8 Uhr. Ist in der Zwischenzeit nichts mehr hinzuzufügen gewesen? Fehlt das feinfühlige Fachpersonal um alles auf den neuesten Stand zu bringen? Also bei mir passiert zwischen 7 und 8 Uhr total viel. Ich habe oft Hunger und suche meine Küche auf. Mein Magen rumort und meine Augen irren umher. Ich schaue in den Kühlschrank und wünsche dem Mozzarella einen besseren Verwendungszweck als das Auftauchen in meiner Tomatensoße. Wenn ich die Haustür um 8 Uhr viermal knallen höre, ist das Haus verwaist und mein Unterhaltungswert sinkt auf ein neues Rekordtief. Selbst der Hund ist nicht mehr da und leckt mein Gesicht. Aber ich habe Angst. Ist das nichts? Ich habe Zweifel! Zählen die nicht? Ich entdecke nichts von meinem kleinen Leben in dieser bundesdeutschen Übertriebenheit von 9 Uhr. Das sind nicht meine Nachrichten. Das ist die Berichterstattung der Unheilsverkünder. Wird nur noch vom Leid der Großen berichtet? Ist nur noch der Massenselbstmord bemerkenswert? Was ist mit meinem Hochgefühl beim Erdbeerenpflücken? Total unglaubwürdig wird das Leben um 16:00 Uhr, wenn in den Nachrichten noch immer das gleiche erzählt wird wie in den Schreckensmeldungen von 7 Uhr morgens. Hallo? Geht’s noch? Leben wir in der gleichen Welt oder soll ich schlechte Laune bekommen beim Schildern der Weltlage? An mir liegt es nicht, daß alle so gemein sind. An mir liegt es nicht, daß alle Hilfe brauchen. Ich tue was ich kann.
 
© Erwin Grosche