Laßt sie mal machen

Schwarz-Rot steht in den Startlöchern

von Lothar Leuschen​

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Laßt sie mal machen
 
Schwarz-Rot steht in den Startlöchern
 
von Lothar Leuschen
 
Die SPD hätte am liebsten eine soziale Kuscheldecke gewebt, in der sich die Arbeitnehmer und die Bedürftigen in Deutschland sicher und wohl fühlen. CDU und CSU wollten die Mixtur für eine Roßkur, mit der sie Deutschland in Legislatur-Eile wieder auf Vordermann brächte. Weder die einen noch die anderen haben ihr Ziel erreicht. Im Klartext heißt das: Kompromiß. Und dieser Kompromiß steht auf etwa 140 Seiten im Koalitionsvertrag. Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg ist weder Selbstbedienungsladen noch Wunschkonzert. Jeder muß etwas geben, um etwas zu bekommen. Und das Ergebnis ist Enttäuschung – in den eigenen Reihen und bei den politischen Beobachtern. In dieser Situation befindet sich Deutschland, seitdem Friedrich Merz, Lars Klingbeil, Saskia Esken und Markus Söder verkündeten, was Union und SPD miteinander vereinbart haben. Der große Wurf ist es weder für die einen noch für die anderen geworden. Das war auch nicht zu erwarten.

Umso bemerkenswerter ist deshalb, mit welcher Intensität Opposition, Lobbyisten, aber auch Kritiker in den jeweils eigenen Reihen sich am Kompromißpapier abarbeiten. Darin stehen zwar viele Absichtserklärungen, die mit Formulierungen wie „wir wollen“ und „wir prüfen“ statt „wir werden“ an einigen Stellen vage bleiben. Aber es ist gelungen, zwischen drei Parteien eine Brücke zu bauen, die im Wahlkampf mit Worten eine tiefe Schlucht zwischen sich gegraben hatten.

Dennoch ist Kritik angebracht und notwendig. Sie gehört zur Demokratie. Doch auch Kritik braucht Augenmaß. Sie setzt sich sonst der Gefahr aus, um ihrer selbst Willen geübt zu werden. Im schlechtesten Fall entsteht der Eindruck, daß sich unter den Akteuren auf und vor der politischen Bühne eine gewisse Lust am Untergang breitgemacht hat. Von solchem Gebaren profitieren aber lediglich jene, die nichts Gutes im Schilde führen. Elendsverheißung hilft nur den politischen Extremisten. Vielleicht ist es deshalb ratsam, Schwarz-Rot zunächst einmal machen zu lassen und dann zu kritisieren, wenn es erste Ergebnisse ihrer Arbeit gibt – oder eben nicht.
 
Der Kommentar erschien am 17. April in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.