Sex und Witze
Allgemein wird man bemerken, daß es Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, wenn es um den Humor und das geht, was als lustig empfunden wird. „Humor ist, wenn man trotzdem lacht“, hat der Lyriker Otto Julius Bíerbaum am Ende des 19. Jahrhunderts geschrieben, als die Zeiten kaum lustig genannt werden konnten. Der zitierte Satz stammt von einem Mann, und wer sich erkundigt, wird erfahren, daß Humor lange Zeit ausschließlich Männersache war. Jedem dürfte aufgefallen sein, daß die Clowns im Zirkus stets männlichen Geschlechts waren. Das geht so weit, daß der (humorlose) Philosoph Immanuel Kant Frauen jeden Witz absprach: „Lachen ist männlich, Weinen ist weiblich“, meinte der Denker reichlich gedankenlos, auch wenn etwas an der Sache dran zu sein scheint. Frauen schreiben kaum absurde Komödien und eher raffinierte Kriminalromane, und im Kindergarten tun sich mehrheitlich die Jungen als Spaßmacher hervor, über die Mädchen dann gerne lachen.
Wer die Frage, warum sich Frauen bei Witzen anders verhalten als Männer, beantworten will, wird feststellen, daß Humor eine hierarchische Struktur nutzt und man von oben nach unten ausgelacht wird. Nun stehen Frauen - leider vielfach immer noch - meist unten, weshalb sie vor allem über sich lachen, während Männer über die anderen lachen können, die unter ihnen stehen. Karrierefrauen wirken humorlos, und amerikanischen Erhebungen zufolge lassen sie sich in der Öffentlichkeit kaum zu witzigen Bemerkungen hinreißen. Das hindert sie nicht, im kleinen Kreis vor lustigen Ideen zu sprühen, wobei sich herausstellt, daß sie nicht nur über andere Dinge lachen als ihre männlichen Kollegen - Frauen wollen weniger vorgefertigte Witze und lieber einen spontanen Ulk oder Scherz hören -, sondern daß auch ihr Lachen anders abläuft. Frauen lassen die Luft doppelt so schnell aus ihren Kehlen entweichen als Männer, wobei sich diese Differenz mit den Jahren abschleift und sich nach den Wechseljahren der Lachton der Geschlechter angleicht.
Welche Rolle spielt das Lachen in einer intimen Beziehung, wollten Forscher an der Universität Halle unbedingt wissen, wobei sie auch auf die Angst eingegangen sind, dabei ausgelacht zu werden. Um das Ergebnis der Studie in aller Kürze zusammenzufassen: Wer ähnlich lacht, hat besseren Sex, beides miteinander. Wenn Partner sich beim Lachen und Auslachen ähnlich sind, dann wirken sie zufriedener mit ihrer Beziehung. Dagegen spricht nicht, daß der Ton zwischen den Geschlechtern in jüngster Zeit rauher geworden ist und Frauen dazu übergegangen sind, selbst sexistische Witze zu erzählen - gerade wenn es darum geht, den täglichen Frust mit dem Ehemann zu bewältigen: „Was macht eine Frau mit ihrem Mann, um zum Orgasmus zu kommen? Sie schickt ihn auf den Golfplatz.“
Übrigens - wer sich für Witze interessiert, wird finden, daß sie viel mit Tratschen oder Lästern zu tun haben. Und selbst wenn jetzt mancher Leser oder manche Leserin stutzen mag die Evolutionsbiologie hält dieses Verhalten für gesund. Sie leitet es aus der Fellpflege (Kraulen) der Affen ab, die damit den Zusammenhalt von Gruppen fördern. Tratschen ist effektiver als Kraulen, weil dabei mehrere Individuen erreicht werden können. Mit dem Vorteil des Tratschens läßt sich auch argumentieren, wenn man nach dem Aufkommen der Sprache fragt, wobei der Autor dieser Zeilen immer noch die Lagerfeuerhypothese bevorzugt, nach der die um ein Feuer sitzenden Menschen Laute produzierten, um die Angst vor Angreifern aus der Tiefe der sie umgebenden Nacht zu vertreiben. Allmählich wurden daraus Verlautbarungen mit wachsender Bedeutung. Und schon konnte man tratschen, wie man es heute noch auf jeder Party mit Vergnügen betreibt.
aus: „Warum funkeln die Sterne?“
Die Wunder der Welt wissenschaftlich erklärt
© 2023 C.H. Beck
Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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