Merz muß notbremsen
Jens Spahn setzt seinen Kanzler unter Druck
Von Lothar Leuschen
Das war eine schlechte Woche für die schwarz-rote Bundesregierung. Sie war ein Desaster für CDU und CSU. Für Bundeskanzler Friedrich Merz könnte sie sich noch zum persönlichen Debakel auswachsen. Und der Auslöser ist Jens Spahn. Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag hat in den vergangenen Tagen selbst den Beweis erbracht, daß er seiner Aufgabe nicht gewachsen ist. Daß eine Routine-Angelegenheit wie die Wahl zweier Verfassungsrichterinnen und eines Verfassungsrichters derart aus dem Ruder laufen kann, hatten selbst kritischste Beobachter und destruktivste Oppositionelle im Bundestag vermutlich nicht für möglich gehalten. Umso größer ist die Freude vor allem bei der AfD, die mit jedem Scheitern einer Regierung ihrem Wunsch näherkommt, selbst das Ruder zu übernehmen und Kurs Vergangenheit anzulegen. Das muß Spahn sich ankreiden lassen. Denn ihm ist es in den vergangenen Tagen nicht gelungen, seine Fraktion auf das Votum des Wahlausschusses einzuschwören. Der hatte die Richterinnen und den Richter mit Zweidrittelmehrheit gewählt. Danach ist der Rest in aller Regel eine Bundestagsformalität. Nicht so bei der Union, nicht so bei deren Fraktionschef.
Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob Jens Spahn von seiner milliardenschweren Maskenaffäre abgelenkt gewesen ist oder ob ihn das Verfassungsgericht nicht sonderlich interessiert. Womöglich ist er auch einfach an der Unfähigkeit gescheitert, seinen abtrünnigen Fraktionskollegen klarzumachen, daß es hier nicht um die Wahl einer vielleicht streitbaren Richterin geht, sondern um die Zukunft einer fragilen Bundesregierung. Da ist es schon äußerst naiv oder sorglos, den Koalitionspartner wegen des Vorschlags für einen von 16 Richterposten zu blamieren. Das ist schon schlimm genug. Viel schwerer wiegt der Schaden, den die Unionsfraktion und Spahn für das Ansehen der Regierung angerichtet haben. Im Wahlvolk ist die Sorge groß, daß nach der Ampel die nächste Regierung scheitert. Es ist nun an Merz, dieser Sorge entgegenzutreten. Mit Spahn in einer wichtigen Funktion wird das nicht gehen. Der Kanzler muß schnell die Notbremse ziehen.
Der Kommentar erschien am 12. Juli in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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