Geschichte trifft Zukunft
Wuppertaler Meinung und Dialog
Von Lothar Leuschen
Vier Jahre ist es her, daß der Himmel auch über Wuppertal alle Schleusen geöffnet hat. Was sich bereits zwei Jahre zuvor, Ende Mai, andeutete, wurde an jenem 14. Juli 2021 bittere Wahrheit: Der Klimawandel ist real, und er trifft selbst technisch hochgerüstete Staaten wie Deutschland mit voller Wucht. Im Ahrtal starben in dieser Nacht Menschen, die Naturgewalt richtete Schäden in Höhe von mehreren Milliarden Euro an. Verglichen damit kam Wuppertal noch gut davon. Aber eigentlich können so auch nur Menschen urteilen, die nicht unmittelbar betroffen waren. Auch hier, in der Kohlfurth, in Beyenburg bangten viele um Leib und Leben. Ihr Hab und Gut versank in den schier unglaublichen Wassermassen. Viele Wunden sind inzwischen geheilt, aber die Narben bleiben, hier und da sind sie immer noch nicht ganz geschlossen.
Es ist gut und richtig, sich dieser dramatischen Nacht immer wieder zu erinnern. Auch wenn der Schrecken verblaßt sein mag, weil diese Stadt mithilfe von Bund und Land, vor allem aber aus eigenem Antrieb und mit unzähligen ehrenamtlich geleisteten Arbeitsstunden auch diese Krise gemeistert hat. Doch es spricht eigentlich alles dafür, daß die Flut jeden Tag zurückkommen kann. Das Wetter mag sich von heute auf morgen ändern, das Klima nicht. Es bleibt den Menschen zunehmend feindlich gesonnen. Deshalb ist es erwähnenswert, was Stadt und Unternehmen in den vergangenen Jahren geleistet haben, um auf die nächsten Unwetter vorbereitet zu sein. Aber es reicht vermutlich nicht. Zu zaghaft sind die Anstrengungen, beispielsweise möglichst viele Flächen zu entwickeln, damit Wasser versickern kann, ehe es in Keller und Produktionshallen fließt. In den Niederlanden machen viele Kommunen einen Wettbewerb daraus, loben Pflanzen aus, wenn Privatleute Betonplatten auf dem eigenen Grundstück entfernen, und die Platten werden auch noch kostenlos entsorgt. So kann es gehen, und es ist so leicht zu kopieren.
Obendrein ist Wuppertal grundsätzlich in der glücklichen Lage, noch viel mehr tun zu können. Und es hat bereits begonnen. Die neue Kooperation der Bergischen Universität mit Unternehmen im Städtedreieck kann bahnbrechende Ergebnisse hervorbringen im Zusammenhang mit ressourcenschonendem, nachhaltigem Wirtschaften. Alles, was Natur und Umwelt hilft, kann dazu beitragen, den Klimawandel wenigstens noch zu verlangsamen, um sich auf seine längst unübersehbaren Folgen vorzubereiten.
Wenn es Wuppertal konzentriert gelingt, die Kompetenzen zu nutzen, die Wirtschaft, Circular Valley, Universität und das Wuppertal Institut zweifellos mitbringen, dann hat es die Chance, sich selbst und das Bergische Land zu einem deutschland-, wenn nicht sogar europaweiten Zentrum der Transformations-Forschung zu machen. Welchen auch kurzfristigen und wirkungsvollen Effekt das haben kann, hat das Unternehmen Berger in der Kohlfurth nach leidvoller Erfahrung bereits bewiesen, in dem es wenige Wochen nach dem Naturereignis ein wirksames, digitales Frühwarnsystem entwickelte.
Die Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 wird Wuppertal nicht vergessen, die Zerstörung nicht, das Leid nicht, aber auch die Kraft zur gemeinsamen Anstrengung nicht, die aus dieser furchtbaren Nacht erwachsen ist. Nach all den Jahren gibt es nun die Chance, Geschichte und Zukunft miteinander zu verbinden. Nun braucht es nur noch Politiker Verwalter, Unternehmer und Wissenschaftler, die diese Chance gemeinsam beim Schopfe packen.
19. Juli 2025
Der Kommentar erschien am 19. Juli in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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