Salzschrot

Nicolás Ferraro - Ámbar

von Frank Becker


Salzschrot
 
Ein blutiger Entwicklungsroman
 
Dieser beinahe emotionslos unterkühlte, auf einzigartige stilistische Weise aus der Sicht eines verlorenen Mädchens geschriebene Thriller ist eine Novität auf dem deutschen Literaturmarkt. Bereits 1981 in Argentinien erschienen und für Deutschland vom Pendragon Verlag entdeckt, stellt er einen auf nur wenige Tage komprimierten außergewöhnlichen Entwicklungsroman und einen Hardboiled-Krimi in bester „Noir“-Tradition dar.
 
Das 15 Jahre alte Mädchen Ámbar kennt, seit sie mit neun Jahren von der Mutter verlassen wurde, nur das elende Leben an der Seite ihres Vaters Víctor Mondragón, eines kompromißlos brutalen und in seinen Kreisen gefürchteten Verbrechers. Sie hat Mißtrauen gelernt, scheint sich nicht daran zu stoßen, daß er wohl ein Mörder ist, nimmt seine Taten wie selbstverständlich hin, hält ihr abgesägtes Schrotgewehr in Ordnung und verarztet, wenn er bei einem Überfall oder einer Auseinandersetzung verletzt wurde seine Wunden. Sie folgt ihm widerspruchslos, wenn sie rastlos von Ort zu Ort und unter falschen Identitäten von einer dreckigen Unterkunft zur anderen durch die Weite Argentiniens ziehen. Das unbeschwerte Leben eines Kindes und die typischen Vergnügungen junger Leute hat sie nie kennengelernt, wohl aber, sich verstecken oder zu wehren. Ihr Vater, der sie liebevoll „Sommersprößchen“ nennt, ist ihre einzige Richtschnur. Wir folgen angespannt den Gedankengängen und dem Erwachen, den Gedanken und heimlichen Wünschen dieses jungen Mädchens.
 
Doch jetzt, als Víctor Mondragón auf einen blutigen Rachefeldzug gegen Mboí, den Mörder eines Komplizen zieht, beginnt sie, nicht zuletzt durch die zärtliche Begegnung mit dem Jungen Marco zu begreifen, daß man anders leben kann als im Sumpf des Verbrechens. Als sie schließlich durch die Geliebte ihres Vaters mehr über Víctor Mondragón und ihren eigenen Namen erfährt, ja selbst Ziel und Opfer von schlimmer Mißhandlung durch Konkurrenten ihres Vaters wird und ihn in seinem Wesen erkennt, klickt es in ihrem Inneren. Sie beginnt die Fesseln des Gewohnten in Frage zu stellen, sie ganz langsam abzustreifen. Ámbar unternimmt einen radikalen ersten eigenen Schritt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.
 
Schicksale verlorener Kinder sind ein Romanstoff, der bewegt, ob Charles Dickens´ „Oliver Twist“, Mark Twains „Huckleberry Finn“, Jakob Wassermanns „Kaspar Hauser“, Scott Bradfields „Die Leute, die sie vorübergehen sahen“ oder Cecilie Linds „Mädchentier“. Hier knüpft Nicolás Ferraro mit „Ámber“ in der hervorragenden Übersetzung von Kirsten Brandt an.Sehr zu empfehlen.
 
Nicolás Ferraro - Ámbar
Thriller – Übersetzung aus dem argentinischen Spanisch: Kirsten Brandt
© 2025 Pendragon Verlag, 312 Seiten, Klappenbroschur - ISBN: 978-3-86532-901-1
22,- €
 
Weitere Informationen:  www.pendragon.de