Zerstörende Adoleszenz

Raymond Radiguet – „Den Teufel im Leib“

von Frank Becker

Umschlagmotiv: Jean Cocteau
Zerstörende Adoleszenz
 
Ein dramatischer Entwicklungsroman
 
Das Jahr 1923 konfrontierte die französische Leserschaft mit dem zu dieser Zeit geradezu skandalösen Roman „Le diable au corps“ - und nur wenig später den erst 20jährigen Autor mit dem Tod. Raymond Radiguet wird heute als literarisches Genie gehandelt, obwohl er nicht die Chance bekam, das nach seinem großen Wurf zu manifestieren.
 
Im dritten Jahr des 1. Weltkriegs und in seinem 15. Lebensjahr lernt der im Roman namenlos bleibende Antiheld durch seine Eltern die 18jährige Tochter von Bekannten kennen – nach damaligem Begriff noch ein Mädchen -, die jedoch bereits verheiratet ist. Ihr ebenfalls junger Ehemann ist an der Front, kämpft für das französische Vaterland. Es wird, von beiden zunächst nicht zugegeben, vom ersten Moment an eine gegenseitige, verzehrende Liebe. Beide unerfahren nähern sich und verfallen einander, brechen die bestehende Ehe ohne Bedenken, und sie unterwirft sich dem hoffärtigen Knaben auf Gedeih und Verderb. Er seinerseits verfällt in seelischer und geistiger Adoleszenz in die Männlichkeitsmuster seiner Umwelt, wohl spürend, daß er sie damit herabsetzt. Die Leidenschaft auch des körperlichen Erlebens wird so übermächtig, daß der Junge spürt, ihr nicht gewachsen zu sein. Radiguet findet dafür eine neue, gleichermaßen grobe, rücksichtslose aber auch äußerst dezente Sprache, die nie explizit oder gar vulgär wird. Er erzählt, sie kommt nicht zu Wort, wird von ihm zitiert und beschrieben..
 
Das leidenschaftliche Verhältnis bleibt gesellschaftlich nicht unbemerkt, was zur scharfen gesellschaftlichen Ausgrenzung beider und ihrer Familien führt. Das Leiden der beiden jungen Menschen, vor allem ihres, erfaßt auch den Leser, der ahnt, daß das nicht gut gehen kann. Der Jüngling hat, worunter er leidet und was er genießt in der Tat den Teufel im Leib. Beide müssen daran zerbrechen, ganz zu schweigen vom Dritten, dem Ehemann, der nach dem Waffenstillstand nach Hause zurückkehrt. Wenn es auf das Ende zu auch mit einer allzu plötzlichen Wendung zu einem bittersüßen tragischen Finale führt, bleibt es ein beeindruckend dramatischer, eindeutig autobiographischer Entwicklungsroman.
 
Mit sechs Zeichnungen und dem Umschlagmotiv von Jean Cocteau und erstmals in deutscher Sprache veröffentlichten Texten von Jean Cocteau sowie mit Gedichten und Briefen von Raymond Radiguet und einem Portraitfoto Radiguets von Man Ray. Man erfährt mit Erstaunen, daß der Autor bereits mit 15 Jahren mit Cocteau und Max Jacob, später mit Satie, Francis Poulenc, Juan Gris, Man Ray und Arthur Honegger bekannt war und von Cocteau, Pablo Picasso und Amadeo Modigliani portraitiert wurde.
 
Raymond Radiguet – „Den Teufel im Leib“
(Le diable au corps) aus dem Französischen von Hinrich Schmidt-Henkel
Mit Zeichnungen von Jean Cocteau und einem Nachwort von Hinrich Schmidt Henkel
© 2023 Pendragon Verlag, 224 Seiten, gebunden, Lesebändchen - ISBN: 978-3-86532-833-5
€ 22,00
 
Weitere Informationen: www.pendragon.de