Ein bißchen Spaß muß sein

Gerhard Henschel – „Grund dafür ist eine Verspätung aus vorheriger Fahrt“

von Frank Becker


Ein bißchen Spaß muß sein
 
Satire, Spott und Hohn aus Gerhard Henschels Feder
 
34 Jahre geschliffene Satire, beißender Spott und herrlicher Hohn in Prosa, Vers und fabelhafter Fälschung hinterlassen literarische Spuren. Daß auch ordentlicher Nonsens zum heiteren schriftstellerischen Allerlei gehört, versteht sich von selbst. Ach ja, die Rede ist hier von Gerhard Henschel, einem sehr, sehr fleißigen Schriftsteller, dessen Werk sich von dem anderer Vielschreiber – Namen nenne ich hier nicht – durch vor allem dreierlei abhebt:
Ernsthaftigkeit, hohe Sprachkunst, überbordenden Ideenreichtum = Qualität. Hinzu kommt, und dafür steht der hier vorgestellte Auswahlband „Grund dafür ist eine Verspätung aus vorheriger Fahrt“, das Vermögen den Aberwitz, Irrsinn und ja, die Lächerlichkeit unserer Welt und seiner Bewohner genußvoll aufzubereiten.
Gerhard Henschel hat zum Zwecke bester leichter Unterhaltung, die auch durchaus Tiefgang hat, aus seinem satirischen Werk ein höchst bekömmliches Destillat Essenz gebraut, dessen Ursprung über die Jahrzehnte überwiegend bei taz, Titanic, Kowalski, Eulenspiegel zu finden ist.
 
Der Verlag schreibt im Klappentext: „In den hier versammelten Texten aus den Jahren 1988 bis 2022 berichtet Gerhard Henschel, wie Harry Rowohlt in den Stimmbruch kam, welches Spiel der Doppelagent Walter Kempowski trieb, wie der Ayatollah Chomeini sich in Paris amüsierte, was Christa Wolf und Harald Juhnke in das Gästebuch des Meuselwitzer Prominentenhotels Drei­lindenhof eintrugen und wie es sich anhörte, als Arno Schmidt „Eve of Destruction“ und „Ich will keine Schokolade“ sang. Außerdem geht es um das Seelenleben eines passionierten Liegeradfahrers, den Untergang der brandenburgischen Stadt Pritzwalk, Bob Dylans Stasi-Akte und das weithin unterschätzte Nachtleben in Teheran, das ebenso eindringlich geschildert wird wie die Stimmung in dem Lokal Gitti’s Schlemmerkrippe in der thürin­gischen Gemeinde Wehrhahn-Üblarz im Ostharz.“
 
Hinzu kommt etliches mehr:  Die nicht von der Hand zu weisende Möglichkeit, die Himmelsscheibe von Nebra sei ein Fälschung von Konrad Kujau, die Präsentation eines deutschen Fiesheitsatlas (bei dem u.a. Pasewalk, Fritzlar, Löhne, Crailsheim, Zella-Mehlis und Bielefeld recht schlecht wegkommen), Betrachten zum literaturgeschichtlich überaus interessanten Senken der Stimme zu einem Flüstern, Hinweise, wie man dem Iwan mit Zahnstein (natürlich mit Hilfe Gerhard Schröders) brisantes Material zuschanzen kann. Auch ein aufschlußreiches Interview mit einem Prominentenspielzeugsammler ist dabei, das uns atemberaubend intim an Margarete Mitscherlich, Jürgen Habermas und Hanna Schygulla heranrücken läßt. Lesen Sie unbedingt auch „Teheran bei Nacht“ – es wird Ihnen die Augen öffnen! Welcher Leser würde sich nicht über Spott freuen, der sich über die erste Trump-Administration (konnte der Autor ahnen wie aktuell sein Beitrag nur wenig später werden würde?), über die kaum weniger schlimmen Islamisten, die AfD, über Genderei, Chinas Xi Jinping und andere kulturelle Mißstände ergießt? Alles drin. Das alles macht so viel Vergnügen, daß man dieses Buch aus vollem Herzen empfehlen kann.
 
Gerhard Henschel – „Grund dafür ist eine Verspätung aus vorheriger Fahrt“
Satiren, Grotesken und Vermischtes aus dreikommafünf Jahrzehnten
© 2023 Elsinor, 276 Seiten, Klappenbroschur, 14 x 22 cm  -  ISBN 978-3-942788-72-4
25,- €
 
Weitere Informationen: https://www.elsinor.de