Der Versuch ist gescheitert

Wuppertaler Meinung und Dialog

von Lothar Leuschen​

Foto: WZ
Der Versuch ist gescheitert
 
Wuppertaler Meinung und Dialog
 
Von Lothar Leuschen
 
Angesichts der politischen Kleinmütigkeit in Wuppertal war die Entscheidung für den Umbau des Döppersberges geradezu epochal. Nach fast 30 Jahren mehr oder weniger intensiver Debatten hat sich der Stadtrat im Jahr 2007 dazu durchgerungen, Wuppertal und seine Einwohner vom Joch der Harnröhre, des ernüchternd schmucklosen Vorbaus des Hauptgebäudes und von einem Busbahnhof zu befreien, der diese Bezeichnung eigentlich nicht verdient hatte. Entstanden ist ein neues Eingangstor nach Elberfeld. Und viele, die es erstmals durchschreiten, reiben sich verwundert die Augen. Wuppertal genießt gemeinhin nicht den Ruf, sich extravagante Architektur zu trauen. Das bronzefarbene Investorengebäude beweist eindrucksvoll und ohne Abnutzungserscheinung das Gegenteil. Auch dadurch ist der Döppersberg zu einem Zeichen dafür geworden, daß Wuppertal immer noch Außergewöhnliches leisten kann, wenn sich Politiker, Verwalter und private Geldgeber dafür auf Augenhöhe zusammentun.
 
Aber die Geschichte des neuen Döppersbergs ist nicht abgeschlossen. Sie war es nie. Womöglich schreibt die Bundesbahndirektion mit ihrer Wiedergeburt als 3. Rathaus ein weiteres, wenn auch kostspieliges Kapitel der Erfolgsgeschichte. Deren Epilog ähnelte dann allerdings dem der Vorkapitel: Die städtischen Planer haben dem riesigen Projekt eine Schwachstelle aufgebürdet, die trotz aller Beteuerungen stetig größer, sichtbarer und belastender geworden ist. In diesen Tagen wird im Rathaus wieder einmal über das Café Cosa, den Treffpunkt der Drogensüchtigen am Döppersberg, diskutiert. Der war immer ein Zankapfel, aber die Mahner wurden von jenen übertönt, die vor dem Phänomen Drogensucht und dessen Folgen längst kapituliert haben. „So eine Szene gehört zu einer Großstadt“ war und ist der Offenbarungseid, den Stadtverwalter und Sozialpolitiker seither immer wieder aufsagen. Das ist ja auch einfacher, als sich mit dem Problem zu beschäftigen und es endlich zu lösen.
 
Wer ideologisch nicht vollständig verblendet ist, wird erkennen, daß es eben keine zielführende Idee ist, die Drogenszene so zentral unterzubringen, daß Süchtige wie Drogenhändler dank Bahnhof über eine perfekte Mobilitätslogistik verfügen können. Daß obendrein die Polizei ihre Wache am Döppersberg aufgegeben hat und dadurch erheblich weniger Präsenz zeigt, begünstigt die schlechte Entwicklung. Das Ergebnis ist, daß die Zahl der Suchtkranken in Wuppertal nicht gesunken ist, gleichzeitig machen neue, leider auch noch gefährlichere Drogen den Süchtigen das Leben schwerer. Die erhoffte soziale Kontrolle findet nicht statt, weil viele Wuppertalerinnen und Wuppertaler den Döppersberg mittlerweile meiden. Auch das ist unübersehbar und zeigt sich nicht zuletzt am Angebot des Einzelhandels. Billigware trifft auf Kunden, die nicht viel bezahlen können. So dreht sich die Abwärtsspirale der einst stolzen Elberfelder Innenstadt.
 
Der Versuch, den Drogensüchtigen mitten am Döppersberg einen Anlaufpunkt zu schaffen, die Idee, Drogensucht auf diesem Wege einzudämmen, ist gescheitert. Alle Reparaturmaßnahmen haben nicht gefruchtet und das werden sie auch in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht tun. Deshalb ist es Zeit, die Konsequenz zu ziehen. Das Café Cosa braucht einen anderen Standort, der Döppersberg braucht erheblich mehr Polizeipräsenz, damit die Drogenszene den neuen Standort akzeptieren muß. Und Stadtrat sowie Verwaltung sollten sich endlich zu der Erkenntnis durchringen, daß es sinnvoller ist, die Innenstadt im Sinne der Wuppertaler zu gestalten, die nicht drogensüchtig sind und nicht vom Bürgergeld leben. Sie sind eindeutig in der Mehrheit und haben auch einen Anspruch auf Lebensqualität und darauf, sich am Döppersberg wohlfühlen zu können.
 
 
Der Kommentar erschien am 9. August in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.