Lust am Untergang

Bundesregierungen im Umfrage-Terror

von Lothar Leuschen​

Foto: WZ
Lust am Untergang
 
Bundesregierungen im Umfrage-Terror
 
Von Lothar Leuschen
 
Seit einiger Zeit schon vergeht keine Woche ohne Sonntagsfrage. Je nachdem, welches Institut fragt, hagelt es Ohrfeigen für die amtierende Bundesregierung. Das Phänomen hat mit der inzwischen abgewählten Ampelregierung Fahrt aufgenommen. Seit Friedrich Merz Bundeskanzler ist, läuft es auf Hochtouren. Es hat den Anschein, daß einige Leute ein Interesse daran entwickeln, nicht nur Union und SPD auseinanderzutreiben, Ziel scheint es zu sein, CDU und CSU in die Arme der zweifellos nationalsozialistisch verseuchten Partei zu treiben. Daß sich hinter dieser Strategie politische Überzeugungen verbergen, ist unwahrscheinlich. Also muß es sich um den Versuch handeln, mit möglichst schrillen Schlagzeilen in möglichst große Buchstaben Markt zu machen. Das Geschäft mit den Nachrichten steht unter Druck.
 
Stimmung zu machen, ist in diesen Zeiten dennoch ein Spiel mit dem Feuer. Zu viele Menschen in Deutschland sind heute bereit, ihrem teils begründeten, teils diffusen Unmut dadurch Luft zu machen, daß sie eine Partei wählen, die eine andre, eine weiße, deutsche Gesellschaft will. Die Kernaussagen der AfD lauten: Ausländer raus, Frauen als Gebärmaschinen zurück an den Herd und Behinderte ins Heim. Mehr Inhalte hat diese Partei nicht zu bieten. Das ist die AfD, das ist die Partei, die von der grassierenden Lust am Untergang profitiert.
 
Es gibt gute Gründe, die Regierungen der vergangenen 20 Jahre zu kritisieren. Deutschland ist dank seiner aktuellen Politiker eines der wahrscheinlich reformfaulsten, sattesten und unflexibelsten Länder der Erde. Aber vom Abgrund steht es weiter entfernt als kaum ein anderer Staat. Seine Wirtschaftskraft reicht für große Veränderungen, und die Mehrheit der Bevölkerung ist vermutlich bereit, dafür auch Einschränkungen in Kauf zu nehmen. Daß diese Erkenntnis im Bundestag anscheinend noch nicht angekommen ist, weil Politiker und Wahlvolk sich zu weit voneinander entfernt haben, gibt den Spaltern Angriffsfläche und führt dazu, daß sich dieses Land weit unter Wert verkauft. Das ist Grund für Veränderungen, aber kein Grund, das Armageddon herbeizufragen.


Der Kommentar erschien am 16. August in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.