Keine Wattebausche

Rassismus im Fußball

von Lothar Leuschen​

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Keine Wattebausche
 
Rassismus im Fußball
 
Von Lothar Leuschen
 
Fast noch schlimmer als die hirnlose Beleidigung des Spielers Antwi-Adjei im Pokalspiel von Lok Leipzig gegen Schalke 04 ist die Reaktion darauf. Keine 48 Stunden später scheint es gar niemanden zu interessieren, daß ein Mensch in Deutschland wegen seiner Hautfarbe beleidigt wird – wegen seiner Hautfarbe, nicht, weil er das Fußballtrikot eines anderen Vereins trägt. Darüber läßt sich in mehr oder weniger niveauvollen Gesängen und Schlachtrufen streiten. Über Rassismus nicht, über Herrenmenschengebaren nicht, über die Quälerei von Menschen anderer Hautfarbe oder anderer Herkunft nicht. Nichts und niemand kann das begründen. Das verstehen Idioten wie der in Leipzig nicht.
 
Deshalb muß die deutsche Demokratie aufhören, Ereignisse wie die in Leipzig zu relativieren. Das ist nur anfangs die Aktion eines einzigen Rassisten gewesen. Danach konnte er sich der Zustimmung eines ganzen Stadions erfreuen. So kippt eine Gesellschaft, so kippt auch ein System, in dem die neuen Nationalsozialisten und Menschenverächter noch meilenweit von der Mehrheit entfernt sind. Deshalb muß diese Mehrheit die Wattebausche nun beiseitelegen, mit denen sie bisher auf die neuen Nazis zielt. Im Fall von Lok Leipzig oder Vereinen mit ähnlichen Fans sollte der DFB durchgreifen und Teilnahmeverbote am DFB-Pokal aussprechen. Das trifft Vereine natürlich hart, aber noch härter trifft es die unerträglichen Typen, die sich deren Fans nennen.
 
Im nächsten Jahr wählt Sachsen-Anhalt eine neue Landesregierung. Es zeichnet sich ab, daß die AfD stärkste Kraft wird. Deren Spitzenpersonal läßt sich in Bund, Land und Kommunen längst von den Nazis in der dritten Reihe soufflieren, was es in Interviews und Talkshows von sich gibt. Die Partei hat die Grenzen des Sagbaren verschoben und kippt Leuten wie dem Dummkopf in Leipzig Wasser auf die Mühlen. Wohin das führt, zeigen längst auch Anschläge auf Kulturzentren, auf Büros vor allem von Grünen und SPD, Bedrohungen von Politikern aller demokratischen Parteien. Dagegen kann König Fußball ein Zeichen setzen, das die Richtigen schmerzt und dauerhaft wirkt.
 

Der Kommentar erschien am 20. August in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.