Auffällig phantastisch und pathetisch

Eric-Emmanuel Schmitt – „Jerusalem – Meine Begegnung mit dem Heiligen Land“

von Johannes Vesper
Pilgerreise ins Heilige Land
 
... und jedes Gebet hilft!

Éric-Emmanuel Schmitt, Dramatiker, Filmemacher und Romanautor seit 1991, in viele Sprachen übersetzt, erhält tatsächlich eines Tages vom Vatikan die Bitte, ins Heilige Land zu fahren, und mit einem Buch über seine Begegnungen, Eindrücke über Menschen und Orte zurückzukommen. Er, der jeden Tag, den Gott werden läßt, von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends schreibt, fliegt tatsächlich los, schreibt schon im Flugzeug über sich und seinen Glauben. Vom Elternhaus darin eingeführt, bezeichnet er sich als „informierten Heiden“, nach dem er an der Ecole normale supérieur in Paris Philosophie studiert hatte und über die Metaphysik Diderots promoviert worden war. Als 28jähriger aber hatte er in der Sahara das mystische Erlebnis der unfaßbaren Weite eines nächtlichen Sternenhimmels, womit die Existenz Gottes für ihn Realität wurde. Zurück in Paris, las er die Texte von Lukas, Markus, Matthäus und Johannes, wodurch er zusätzlich von der Liebe Jesu Christi erfuhr. Seitdem beschäftigt er sich existentiell mit Jesus, seiner Menschwerdung und seiner Auferstehung, lernt, daß das Leben mit Verstand alleine nicht zu begreifen ist und wird Christ. Sein literarisches Werk zeugt schon seit Jahren davon ( z.B. „das Evangelium nach Pilatus“ 2006, der Romanzyklus „Noams Reise“ u.a.).
 
In Nazareth trifft er seine Pilgergruppe, mit der er die heiligen Orte Palästinas und Israels besuchen wird. Die Pilger unter Führung von Pater Henri kommen aus La Réunion, der französischen Insel im Indischen Ozean. Bei der ersten Vesper am Ankunftsabend nimmt er zunächst widerstrebend am Abendmahl teil, beschreibt dann aber, wie die Hostie ihren Weg die Speiseröhre hinunter und dann hinauf in seine Seele findet.
In Nazareth besucht er den Klostergarten Garten Charles de Foucaulds (1858-1916). Der ursprüngliche Offizier, der 2022 von Papst Franziskus heilig gesprochen wurde, war zweimal in Nazareth gewesen ist. Das ererbte Vermögen hatte er mit Prostituierten durchgebracht, bevor er seinen katholischen Weg zu Gott gefunden hat. Schmitt hatte sich als Drehbuchautor mit ihm beschäftigt und dessen Klause in Südalgerien besucht, in der er 1916 ermordet worden ist. Im verdankte er sozusagen seine mystische Sternennacht in der Wüste, den unerschütterlichen, katholischen Glauben. Foucaulds „Gebet der Hingabe“ an Gott wurde sein „sehr persönlicher Gesang“ wenn er die „blaßlila Luft“ des Gartens einatmet.
 
Im Zuge der Religiosität des Buchautors wird der Stil des Romans gelegentlich tatsächlich auffällig phantastisch und pathetisch, wenn die Ferne der Landschaft uns „herzlich mit bergigen Armen umfängt“ und „die milde Natur in das bukolische Leben der Zeit von Jesus versetzt“. Daß „ ein Sonnenstrahl die Gestalt von Pater Henri bei seiner Predigt über die Theophanie erleuchtet, als hätte ein himmlischer Regisseur seinen Scheinwerfer auf den Höhepunkt der Aufführung gerichtet“ erinnert daran, daß Schmitt zu Beginn seiner literarischen Karriere Theater geschrieben hat. Leider führt er im übrigen nicht weiter aus, warum er von Gottes „Humor und Frechheit“ (?) so beeindruckt ist.
 
Sehr mystisch und katholisch gerät die Schilderung seiner Offenbarung beim Besuch der Grabeskirche, wo er dank verspürter Wärme und intensiv strömenden, männlichen Körpergeruchs Jesus sozusagen olfaktorisch oder auch leibhaftig erlebt. Tatsächlich! Solch spirituelle Religiosität wird manchen Leser ergreifen, viele jedenfalls überraschen.
Seine Spaziergänge durch das uralte dreigeteilte, jüdische, muslimische und christliche Jerusalem sind sehr bewegend und werden jedem Besucher der Stadt ans Herz gelegt. Mit diesen Schilderungen wird Verständnis für die Schwierigkeit des Zusammenlebens von Palästinensern und Juden in der Region geweckt. Beide sind ursprünglich in Palästina beheimatet, wobei die Juden schon von Nebukadnezar im 6. vorchristlichen Jahrhundert erstmalig und von Titus im Jahre 70 n. Chr. zum zweiten mal deportiert wurden, bevor sie im 20. Jahrhundert durch die Shoa industriell beinahe ausgelöscht worden sind.

Bewegend sind zuletzt das Gespräch des Autors mit Papst Franziskus und dessen das Buch kommentierender Brief (Nachwort). Es kommt nicht darauf an zu missionieren, sondern sich in seinem Verhalten an Jesus zu orientieren. Brückenbauer und Mitmenschen sind wichtig, keine Feinde und Kriegstreiber, meint Franziskus. Recht hat er und jedes Gebet hilft!
 
Eric-Emmanuel Schmitt – „Jerusalem – Meine Begegnung mit dem Heiligen Land“
Aus dem Französischen von Michael von Killisch-Horn
© 2025 C.Bertelsmann (Penguin Random House) 1. Auflage der deutschsprachigen Ausgabe, 221 Seiten, gebundenes Buch -  ISBN 978-3-570-10544-3
22,- €
 
Weitere Informationen:  https://www.penguin.de