Kartenhäuser

Jan Weilers „Ein Geschlossene Gesellschaft“ im Wuppertaler TiC-Theater

von Frank Becker

Ensemble, v.l.:  Nina Jestel, Beate Rüter, Maximilian Leuchter, Niklas Schier, Astrid Gottschalk, Chris Jungbluth; sitzend Mitte: Hans-Willi Lukas Foto © Martin Mazur


Kartenhäuser
 
Ein Geschlossene Gesellschaft
 
Schauspiel von Jan Weiler im Wuppertaler TiC-Theater
 
Inszenierung: Johanna Landsberg – Bühnenbild: Stefan Böhmer, Frank Fischer – Kostüme: Sarah Prinz
 
Mit: Hans-Willi Lukas (Klaus Engelhardt) – Niklas Schier (Bernd Vogel)) - Beate Rüter (Heidi Lohmann) – Nina Jestel (Bettina Schuster) – Astrid Gottschalk (Heike Arndt) – Maximilian Leuchter (Peter Mertens) – Chris Jungbluth (Manfred Prohaska)
 
Ein Lehrerzimmer bei Schulschluß. Zwei Lehrerinnen, drei Lehrer und eine Referendarin sind dabei, sich auf den Feierabend vorzubereiten, als es hartnäckig klopft. Widerwillig wird nach einiger Zeit die Tür geöffnet und der Vater des bereits zweimal durchgerasselten Schülers Prohaska (Chris Jungbluth) tritt ein, um den verantwortlichen Lehrer zu bitten einen fehlenden Punkt für die Abiturzulassung seines Sohnes zu ergänzen. Dieser altgediente und prinzipienstrenge Schulmeister Klaus Engelhardt wird in unnachahmlich starrer Haltung von Hans-Willi Lukas verkörpert, selber altgedient, sowohl als pensionierter Lehrer wie auch als Charakterdarsteller des TiC-Theaters. Er lehnt das Ansinnen kompromißlos ab und wird zum Zentrum der sich turbulent, decouvrierend und dramatisch entwickelnden Handlung.
Es ist nämlich so, daß Prohaska offenbar nicht mit einem Erfolg seiner Bitte gerechnet hat, sondern sich zuvor, sicher aus illegaler Quelle, einen Revolver besorgt hat, diesen nun zieht und die Lehrer als Geiseln nimmt, um sie zu einer einstimmigen Entscheidung in seinem Sinne zu zwingen.
 
Daß hier der Spaß schon lange aufgehört hat, für die Lehrer, denen er den Revolver wortwörtlich an den Kopf setzt und für die Zuschauer, denen von nun an eigentlich jeder Grund zum Lachen fehlt, ist nicht der einzige Mangel dieses zweifelhaften, von Johanna Landsberg sacht umgesetzten Schauspiels. Natürlich würde ein solcher „Konferenzbeschluß“ vor der Realität keinen Bestand haben, was wohl dem Autor nicht klar war, sonst hätte er seine dramatis personae nicht fast zwei Stunden lang darüber diskutieren lassen. Während des ganzen wortreichen Stückes kommt zudem nicht einmal ein moralischer Vorwurf gegen den fehlgeleiteten Vater auf, der mit seiner bewaffneten Geiselnahme und den Todesdrohungen eine sehr schwere Straftat begeht. Und daß er die Anwesenden, die anscheinend einer wie die andere mit Verfehlungen Schuld auf sich geladen haben, mit Zitaten aus deren Personalakten vor den anderen bloßstellt, ist einfach nur blöd. Niemand säße nach Verführung Minderjähriger, Betrug und Untreue, Bestechung etc. noch an seinem Platz. Nichts gegen Jan Weiler, ich liebe seine „Pubertier“-Geschichten, aber dieses Stück ist einfach zu simpel und unreflektiert. Und das Spielen mit Sartre im Titel ist einfach nur kokett.
 
Das Bühnenensemble aber, das hier die unterschiedlichen Charaktere zu verkörpern hatte, tat das a la Bonheur. Bereits erwähnt wurde Hans-Willi Lukas, der in allen Facetten seiner Rolle glänzte. Niklas Schier gab den belächelten, ängstlichen Chemielehrer Vogel, dessen Kartenhäuser (und nicht nur seine) einstürzen geradezu bewegend gut. Beate Rüter ebenso die vom Leben enttäuschte alte Jungfer, die sich zum Selbstschutz eine scheinbar harte Hülle gibt. Der Sportlehrer Maximilian Leuchter verkörperte glänzend sämtliche Vorbehalte gegen seinen Berufsstand, eben als Sportlehrer Peter Mertens, der sich als Verführer der Referendarin Bettina fühlte, von dieser – Nina Jestel als Bettina Schuster – jedoch frauenbewußt lächelnd als Spielzeug benutzt wurde. Recht so. Astrid Gottschalk schließlich amüsierte als Gutmensch mit anthroposophischen Zügen, die strickend, bedauernd, verteidigend und die Seiten wechselnd den Abend durchsteht - wer könnte es besser als sie. Sie sehen, am Stück hatte ich nicht so recht Freude, am Ensemble hingegen viel. Das hervorragende Kostümbild von Sarah Prinz trug zum Erfolg bei und sei als Abrundung erwähnt.
 
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