Tür zu!
Bei Witzbolden heißt er Tag der Ofentür: Der Tag, den es längst täglich irgendwo gibt: als Tag der offenen Tür. Dann spazieren mit größter Selbstverständlichkeit alle möglichen Leute durch alle möglichen Türen: So, als gäbe es keine Türen. Und nur, weil sie jemand offen läßt, diese Türen. Ohne sie zu fragen! Ob in Rathäusern, Theatern, Kasernen oder auch schon mal in Knästen - überall wird der Neugier Tür und Tor geöffnet. Auch neulich beim Tag der offenen Stalltür. Anbieter von schweineteurer Sanitärkeramik laden sogar zum Tag der offenen Klotür ein. Und wie nennen Diebe unter sich die beste Chance zum Zugreifen? - Na ganz einfach: Tag der offenen Tür natürlich.
Für die betroffenen Türen ist das alles nicht so lustig. Denn Türen sind ja dazu da, daß man sie schließt. Und gelegentlich mal öffnet, um sie wieder schließen zu können. Sie aber den ganzen Tag offen zu lassen, widerspricht der artgerechten Haltung von Türen. Doch keinen interessiert das: Bisher! Denn obwohl es längst Vereine zum Schutz für alles und jeden gibt, ist nirgends ein Türschutzverein in Sicht. Es sei denn, die Türen sind so alt, daß sie nicht mehr von alleine zuhalten. Dann macht sich der Denkmalschutz Sorgen um sie. Sogar diese legendären Türsteher aus der Türsteherszene lassen ihre Türen meistens offen: Aber nur, um sie dem Nächstbesten bei nächstbester Gelegenheit vor der Nase zuzuschlagen.
Übrigens zählt auch der Wahlkampf zur Gattung Tag der offenen Tür. Nein, nicht im weitesten Sinne. Denn im Wahlkampf wird der Mund ganz voll genommen und zu diesem Zweck so weit wie möglich aufgerissen. Und der Mund ist bekanntlich die Tür zur Seele. Auch, um diese Tür öfter mal zu schließen, müßte endlich ein Türschutzverein her. Damit der, der seine Versprechen sowieso nie halten kann, dann wenigstens den Mund hält.
© Detlef Färber
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