Lehren aus der Stichwahl

Wechselstimmung in NRWs Rathäusern

von Lothar Leuschen​

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Lehren aus der Stichwahl
 
Wechselstimmung in NRWs Rathäusern
 
Von Lothar Leuschen
 
In Dortmund hat die SPD ein Debakel erlebt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wird die von Herbert Wehner als Herzkammer der Sozialdemokratie definierte Stadt nicht mehr von einem SPD-Mann regiert. Der Herausforderer von der CDU eroberte das Büro des Oberbürgermeisters. In Münster beendeten die Grünen die Vormachtstellung der CDU im Rathaus. In Bonn und Aachen wiederum sind die grünen Amtsträgerinnen abgewählt worden, sie müssen den CDU-Kandidaten Platz machen. Ansonsten im Westen nichts Neues. In Gelsenkirchen und Duisburg haben sich die Kandidaten der rechtsextremistischen AfD selbstverständlich nicht durchsetzen und der Konkurrenz von der SPD deutlich den Vortritt lassen müssen. So weit, so gut.
 
Oder auch nicht. Denn es steht zu befürchten, daß heute in den Parteizentralen von CDU, SPD und Grünen die Ergebnisse schön interpretiert werden. Dabei liegt die Kommunalwahl nur zwei Wochen zurück und förderte Dramatisches zutage. Gerade im Ruhrgebiet, aber auch beispielsweise am Niederrhein und im Bergischen Land hat die AfD deutlich an Wählerstimmen hinzugewonnen. Systemsprenger mit dem blauen Parteibuch werden die Arbeit der Stadträte erschweren – und die etablierten Parteien zu konstruktiver Zusammenarbeit zwingen. Das ist die eine Lehre aus dem Ergebnis der Kommunal- und der Oberbürgermeisterwahl.
 
Die zweite Lehre muß in Düsseldorf und vor allem in Berlin gezogen werden. Die Wahl in NRW hat nun auch im Westen der Republik losgetreten, was bereits seit einiger Zeit in den ostdeutschen Bundesländern in Bewegung geraten ist. Wo das Alltagsleben Unwuchten zeigt, wo der Eindruck entsteht, daß der Staat, also die Stadtverwaltung und die Stadtregierung, nicht mehr funktioniert, da ernten Extremisten die Stimmen der Frustrierten. Es muß deshalb die Konsequenz aus der Kommunalwahl in NRW sein, daß die Städte und Gemeinden nicht nur in NRW finanziell so ausgestattet werden, daß sie ihren Aufgaben gerecht werden können. Geschieht das nicht, werden SPD, CDU und Grüne überall die Quittung bekommen.
 

Der Kommentar erschien am 29. September in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
 Redaktion: Frank Becker