In jeder Hinsicht eine Premiere

„This is a premiere“ von und mit Cristiana Morganti und Emanuele Soavi

von Anne-Kathrin Reif

Foto © Martin Rottenkolber

In jeder Hinsicht eine Premiere
 
Cristiana Morganti und Emanuele Soavi haben zusammen ein Stück entwickelt.
Mit Witz und Selbstironie blicken sie auf die gemeinsame italienische Herkunft
Und bringen ihre unterschiedlichen Tanzwelten auf der Bühne zusammen.
Die Vorpremiere ist am 18./19. Oktober in Wuppertal
.
 
This is a premiere“ – so heißt das Stück, und der Titel ist Programm. Die ungewöhnliche Zusammenarbeit vereint erstmals zwei starke Persönlichkeiten der internationalen Tanzwelt: Cristiana Morganti, die langjährige Protagonistin des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch und heute mit großem Erfolg international arbeitende freie Choreografin. Und der seit dreizehn Jahren in Köln ansässige Emanuele Soavi, als Tänzer von William Forsythe und Jiří Kylián geprägt, der mit seinem Ensemble Emanuele Soavi incompany für experimentelle Formate an „dritten Orten“ ebenso bekannt ist wie für Großprojekte etwa mit der Kölner Philharmonie oder den Duisburger Philharmonikern. Gemeinsam stehen sie auf der Bühne, erkunden als Performende und als Autorin und Autor in einem Zusammenspiel aus Worten, Gesten und Tanz ihr Verständnis von Kunst und Theater – und fragen zugleich nach ihrer Herkunft. Eine Italienerin aus Rom und ein Italiener aus Ferrara, die seit über dreißig Jahren überwiegend in Deutschland leben und arbeiten.
 
Kurz vor der Premiere hat Anne-Kathrin Reif mit beiden gesprochen.
 
„Mit THIS IS A PREMIERE begeben sich Morganti und Soavi in einen choreografischen Erinnerungsraum“, heißt es in der Stückankündigung. Was sind das für Erinnerungen, die ihr in den Probenphasen im Wuppertaler Pina Bausch Zentrum „under construction“ und im italienischen Ferrara und Pistoia zu Tage gefördert habt?
 
Emanuele Soavi: Das war zunächst ein wilder Mix aus Assoziationen, die wir zusammengetragen haben und über die wir uns ausgetauscht haben. Das ging bis zurück zur Kindheit und dem Aufwachsen in Italien – Dinge, die wir mit „Heimat“ verbinden, mit dem „italienisch sein“. Dann natürlich Erfahrungen aus unseren verschiedenen Tanzwelten, wo es Unterschiede aber auch Gemeinsamkeiten gibt.
 
Cristiana Morganti: Was das “italienische“ angeht, spielen wir auch mit Klischees. Wir mußten uns nämlich eingestehen, daß wir selbst ziemlich an diesen Klischees hängen – und zwar umso stärker, je länger man aus der Heimat weg ist.

Ihr seid beide gewohnt, als Choreografen selbst den Ton anzugeben. Wie war es, sich so stark auf einen anderen einzulassen?
 

Foto © Martin Rottenkolber

Morganti: Es war für uns beide eine ganz neue Erfahrung. Es war sehr interessant und hat uns sicher bereichert. Natürlich war aber auch eine Portion italienisches Temperament mit im Spiel.
 
Soavi: Genau damit spielen wir aber auch und spitzen das im Stück eher noch ein bißchen zu.
 
Das Konzept habt ihr gemeinsam während der Probenresidenz im Pina Bausch Zentrum im August entwickelt, jetzt seid ihr zurück aus den Probenresidenzen in Ferrara und Pistoia. Hat sich das Konzept unter dem Einfluß der Umgebung noch verändert, ist es „italienischer“ geworden?
 
Soavi: Nein, eigentlich nicht. Das Konzept war schon eine sehr gute Grundlage, an der wir nicht viel ändern mußten. Allenfalls, daß es immer mehr Material wurde, und wir das Ganze wieder auf ca. 80 Minuten reduzieren mußten.
 
Morganti: Wir haben in Italien sehr intensiv an der Dramaturgie gearbeitet, denn ein Stück muß meiner Meinung nach „atmen“! Und es muß einige rote Fäden geben, denen das Publikum manchmal sogar unbewußt folgen kann.
 
Nur noch kurze Zeit bis zur Premiere – wo steht ihr, was ist noch zu tun?
 
Soavi: Wir sind noch damit beschäftigt, die Texte auf deutsch zu lernen. Wir haben miteinander bis jetzt natürlich italienisch gesprochen und auch alle Texte in unserer Muttersprache entwickelt. Achim Conrad hat dann eine erste deutsche Fassung erstellt. Die müssen wir jetzt lernen. Möglichst so, daß es am Ende ebenso natürlich klingt. Da das Stück nach der Premiere auch in Italien aufgeführt wird, brauchen wir ohnehin beide Fassungen.
 
Morganti: Wir müssen natürlich diese erste deutsche Fassung an unsere Möglichkeiten anpassen. Die Vorstellung lebt tatsächlich von unserer Spontaneität und Authentizität.
 

Foto © Martin Rottenkolber

Die Aufführungen in Wuppertal sind als „Vorpremiere“ ausgewiesen. Was müssen wir uns darunter vorstellen?
 
Morganti: Im Pina Bausch Zentrum ist die Bühnensituation im ehemaligen Foyer so, daß wir vor allem nicht mit der vollen Lichttechnik arbeiten können – und damit fehlt natürlich ein wichtiger Faktor. Der Eindruck wird also in gewisser Weise nicht ganz vollständig sein. Das Stück selbst, Musik, Text und Kostüme stehen dann aber schon. Außerdem sind wir sehr gespannt auf die Reaktion des Publikums.
 
Cristiana, in Wuppertal kennt man dich vor allem als langjährige Protagonistin des Tanztheaters – von deiner eigenen Arbeit und ihrem internationalen Erfolg hat manch einer noch gar nichts mitbekommen. Wie ist es für dich, jetzt hier ein Stück zu zeigen?
 
Morganti: Es ist ein sehr seltsames Gefühl. Ich würde sagen, es ist, als würde ich vom Ende her beginnen, also mich dem Wuppertaler Publikum nicht von meiner ersten, sondern von meiner letzten choreografischen Kreation aus zeigen. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt und glücklich, daß es endlich soweit ist.
 
Die Aufführungen in Wuppertal sind eingebettet in das Programm „paths through my garden“, das mit einer Ausstellung, Filmen und Performances die Kunst des Choreografen und Künstlers Mark Sieczkarek würdigt, der während der Realisierung dieser Werkschau verstarb. Wie kommt dieser Zusammenhang zustande? Euer Stück ist ja völlig unabhängig davon entstanden.
 
Morganti: Ich habe die Stücke von Mark sehr geliebt und bewundert. Sie waren immer so poetisch und geheimnisvoll, aber auch völlig anarchisch, nicht klassifizierbar. Ich kenne nur wenige Künstler, die so vollkommen frei sind.
Mit Emanuele wollten wir eine Verbindung zwischen unserer Vorstellung und der Ausstellung schaffen, so haben wir Mark gefragt ob wir einige seine Kostüme benutzen könnten. Mark hat unsere Idee mit Begeisterung aufgenommen und uns zwei wunderschöne Kostüme geschenkt, die wir jetzt in der Eröffnungsszene tragen.
 
Soavi: Die Stücke von Mark sind aufgrund der großartigen von ihm geschaffenen Kostüme und Bühnenbilder fast immer Gesamtkunstwerke. Daß er mitten in der Arbeit zu „paths through my garden“ gestorben ist, war ein Schock. Wir reihen uns in Gedenken an Mark sehr gerne in diese Werkschau ein.
 
Vielen Dank an euch beide für das Gespräch!
 

Foto © Martin Rottenkolber


Termine:

Vorpremiere mit Publikumsgespräch: 18. Oktober 2025 (19.30 Uhr) und 19. Oktober (17 Uhr) im Pina Bausch Zentrum 
„under construction“, Bundesallee 260, 42103 Wuppertal.

Premiere ist am 24./25. Oktober 2025 (20 Uhr) in der TanzFaktur Köln, Siegburger Str. 233W.
Im Anschluß tourt das Stück zum Festival euro scene nach Leipzig und zu mehreren Stationen in Italien.