Der Anfang ist gemacht
Des Kanzlers Herbst der Reformen
Von Lothar Leuschen
Der Koalitionsausschuss kreißte und gebar keine Maus. Vielmehr ist der Anfang gemacht für den Herbst der Reformen, den Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in den vergangenen Wochen nicht müde wurde anzukündigen. Es wurde aber auch Zeit. Denn viel zu lang entstand in der Zusammenarbeit von Union und SPD der Eindruck, daß der abgewählten Ampelregierung lediglich Gelb und Grün abhandengekommen sind.
Stattdessen macht es nun den Anschein, daß Bewegung in die Regierungskoalition kommt und hier vor allem in die SPD. Die Ablösung des Bürgergeldes durch eine Grundsicherung dürfte ein sehr großer Schritt für die Sozialdemokraten und vor allem für Arbeitsministerin Bärbel Bas gewesen sein. Dass die SPD ihn gegangen ist, könnte der Partei auf lange Sicht aber nutzen. In weiten Teilen der Bevölkerung, auch unter angestammten SPD-Wählern, hat sich über viele Monate das Gefühl entwickelt, daß es nicht mehr gerecht zugeht in Deutschland. Allzu oft machten Nachrichten darüber die Runde, daß es sich viele Menschen in der sozialen Hängematte bequem machen. Damit ist es nun vorbei. Gleichzeitig gilt aber weiterhin, daß niemand in Deutschland alleingelassen wird, der wirklich Hilfe benötigt.
Verglichen mit der neuen Grundsicherung ist die kommende Aktivrente kaum mehr als ein Feigenblatt. Daß Rentner künftig 2000 Euro steuerfrei hinzuverdienen können, mag dazu führen, daß die eine oder der andere über die Altersgrenze hinaus am Arbeitsmarkt bleibt. Das Rentenproblem ist damit aber nicht gelöst. Union und SPD werden nicht umhinkönnen, die Lebensarbeitszeit zu verlängern. Das schlägt vor allem bei der Stammwählerschaft aller Regierungsparteien ins Kontor. Aber der Herbst der Reformen muß auch ein Herbst der Wahrheit sein. Und die besagt, daß es Zeit wird, Politik nicht mehr nur aus Sicht der Eltern- und Großelternperspektive zu betreiben, sondern auch aus Sicht derer, die das Sozialsystem noch 30, 40 Jahre finanzieren sollen. Deshalb hat die Regierung jetzt einen Anfang gemacht, mehr aber auch nicht.
Der Kommentar erschien am 10. Oktober in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
Redaktion: Frank Becker
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