Was stimmt mit mir nicht?

von Erwin Grosche

Foto © Bernd Mueller
Was stimmt mit mir nicht?
 
Ich habe mal eine Pfandflasche nicht zurück gegeben. Ich habe mal einen Bestseller nicht gelesen. Ich habe mal von Nimm 2 Bonbons nur eins genascht. Was stimmt mit mir nicht? Was läuft verkehrt? Ich arbeitete mal in einer Bäckerei und hatte Hunger. Ich schraubte mal in meinen Kühlschrank eine Rotlichtlampe, danach wirkte sogar die Sahne als wäre sie aus Sünde. Ich habe mal der schönsten Frau der Welt einen Korb gegeben, fand aber im Dunkeln meine Taschenlampe nicht und konnte sie nicht sehen. Was stimmt mit mir nicht? Was läuft verkehrt? Ich habe mal nicht an Gott geglaubt. Ich wollte auf Nummer sicher gehen. Ich glaubte auch in diesem Jahr nicht an den deutschen Beitrag zum ESC. Obwohl ich es in Bremen und Tübingen schöner finde, suche ich weiterhin nach einem Zimmer in Paderborn. Was stimmt mit mir nicht? Was läuft verkehrt? Ich habe mal einen Schirm beim Fundbüro abgegeben, obwohl ihn niemand verloren hat. Macht euch keine Hoffnungen, wir werden nicht gebraucht. Ich habe mal im Bett gearbeitet. Ist das nicht wie alkoholfreies Bier trinken um danach zu Fuß nach Hause gehen zu können? Ich habe mal meinen Hund während des Homeoffice gestreichelt, aber rein professionell, ohne daß ich dabei Freude empfand. Das muß doch vom Arbeitgeber toleriert werden, gerade wenn man in der Unterhaltungsindustrie tätig ist. Was machte denn der Bestatter, wenn niemand starb? War er dann traurig? Ich hätte auch in der Zeit zwei Löcher in ein Blatt Papier lochen können oder meinen Briefbeschwerer nutzen können um Erdnüsse zu knacken. Was stimmt mit mir nicht? Was läuft verkehrt? Ich habe mal auf einem Berg nicht in die Weite geguckt und dort ein Hustenbonbon gelutscht, obwohl ich keinen Husten hatte. Was stimmt mit mir nicht? Was läuft verkehrt? Bin ich verdammt dazu aufzufallen? Hat man mich falsch eingestellt? Meine erste Freundin war eine Gebärdendolmetscherin. Als sie mich verließ zeigte sie mir den Mittelfinger. Das verstand ich sofort, obwohl ich eine ganz andere Ausbildung vorzuweisen hatte. Ich mußte mich nach neuen Herausforderungen umschauen. Mich umzuschauen war mal ein Ausbildungsberuf. Mich umzuschauen war ein Fehler. Was stimmt mit mir nicht? Warum hilft mir keiner? Beim „Stillen Hilferuf“ knickte man den Daumen ein und umschloß ihn mit der Hand, sodaß eine Faust entstand. Mit dem Satz „Luisa ist hier!“ kann man in Münster das Personal in Bars und Clubs um Hilfe bitten, selbst wenn der Peiniger anwesend ist. In Notsituationen sollte man nicht „Hilfe“ rufen, weil sich dann alle zurückzogen. In Notsituationen sollte man „Feuer“ rufen, oder besser noch „Freibier“, dann kamen alle heraus und suchten Nähe. Es muß einem nicht immer schlecht gehen, wenn man in Not ist.
 
© Erwin Grosche
 
 
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