Im Spiegel (1)
Beim Blick in den Spiegel fällt auf, daß das rechte Ohr links und das linke Ohr rechts zu finden ist. Zwar hat man sich an diese Spiegelung gewöhnt - aber sollte die glatte Scheibe vor einem aus Symmetriegründen nicht auch oben und unten vertauschen? Das jedoch ist offensichtlich nicht der Fall. Was läßt den Spiegel die eine Dimension bevorzugen und die senkrechte Variante vernachlässigen? Eine genaue Erklärung müßte Lichtstrahlen zeichnen und deren geometrischen Verläufen nachspüren, was aber hier zugunsten einer einfachen Demonstration unterbleiben soll. Um in aller Kürze zu sehen, was beim Spiegeln passiert, sollte man sich einfach vor die reflektierende Glasfläche stellen und den rechten Arm nach rechts strecken. Die Person im Spiegel macht dann dasselbe, wie es aussieht. Nun hebt man den linken Arm in die Höhe und zeigt mit ihm nach oben, und auch jetzt agiert das Gegenüber auf dieselbe Art, wie man sehen kann. Doch nun kommt es. Wenn man nämlich einen Arm nach vorne auf sein Spiegelbild zu streckt, dann kommen einem die Finger der dazugehörigen Person entgegen. Mit anderen - und vielleicht komischen - Worten: Ein Spiegel vertauscht gar nicht rechts mit links. Es sieht nur so aus. Er dreht vielmehr vorne nach hinten und umgekehrt hinten nach vorne um, und jetzt kann sich jeder bei der nächsten Morgenrasur oder beim Kämmen der Haare im Spiegel daranmachen, dem reflektierten Licht hinterher- und auf die Finger zu schauen.
Und noch etwas. Ein Spiegel besteht aus durchsichtigem Glas. In alten Zeiten hatte man dahinter eine Silberfolie angebracht, in der man sich sehen konnte. Das hat zu dem Witz geführt, daß Menschen aufhören, auf die Welt zu blicken, und dazu übergehen, nur noch sich selbst zu sehen, sobald auch nur ein wenig Silber (oder Gold) ins Spiel kommt. Dazu zwei Anschlußfragen: Warum behält das Gold seinen Glanz auch nach dem Anfassen, während das benutzte Silber häufig schwarz anläuft?
Gold und Silber gelten beide als Edelmetalle. Damit wollen die Chemiker sagen, daß sie beständig sind und nicht rosten, daß sie also keine Verbindungen mit dem Sauerstoff aus der Luft eingehen und folglich nicht oxidieren, wie der Fachausdruck heißt. In der Luft finden sich aber Spuren von Schwefelwasserstoff, der in höheren Konzentrationen Menschen in die Nase steigt und den Geruch von faulen Eiern verbreitet. Zwar riecht das Silber nicht, aber es zieht den Schwefel an sich, so daß Schwefelsilber entsteht, das auch Silbersulfid heißt und den bräunlichschwarzen Farbton mit sich bringt, der einem nicht gefallen kann, der einen aber auch nicht umbringt.
Teil 2 von 3 folgt am kommenden Sonntag an dieser Stelle.
aus: „Warum funkeln die Sterne?“
Die Wunder der Welt wissenschaftlich erklärt
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Veröffentlichung in den Musenblättern mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
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