Fast gerechter Kompromiß
Bundeswehr: Union und SPD einigen sich
Von Lothar Leuschen
Wofür das ganze Gewese? Am Ende dieses Streites in der aktuellen Bundesregierung ist diese Frage schon erlaubt. Statt per Zufall junge Männer ab Jahrgang 2008 zur Musterung einzuladen, trifft es nun alle, die im nächsten Jahr 18 Jahre alt werden. Das bedeutet für die Bundeswehr natürlich einen Mehraufwand. Aber angesichts des Zieles, etwa 260 000 aktive Soldaten zu erreichen und dazu 200 000 Reservisten wäre eine jahrgangsbezogene Musterung auf die Dauer sowieso nicht zu verhindern gewesen. Es ist leider auch nicht absehbar, daß der Bedarf an Soldaten unter Waffen zurückgehen wird. So seltsam, unverständlich und absurd das auch nach dem blutigsten Jahrhundert der Menschheitsgeschichte auch sein mag: „Frieden schaffen ohne Waffen“ hat auf bedrückend lange Sicht keine Konjunkturerwartung. Die Welt wird eher noch polyvalenter, als sie es bereits ist. Und auf allen Kontinenten wird mittlerweile wieder gerüstet, als hätte es zwei Weltkriege mit annähernd 60 Millionen Toten, mit Zerstörung und Vertreibung nicht gegeben. Die Gefahr militärischer Auseinandersetzungen wächst mit der Zahl der Autokratien, die ihre Interessen ohne Rücksicht auf Verluste durchzusetzen bereit sind. Diese Erkenntnisse sind nicht neu. Sie bestimmen seit einiger Zeit die Schlagzeilen.
Umso erstaunlicher ist, daß die Bundesregierung den Umweg über eine unwürdige Debatte darüber nehmen mußte, ob Musterungskandidaten eines Jahrgangs nicht auch per Zufall angeschrieben werden könnten. Das ist zwar eigentlich nur die Vorwegnahme der nicht öffentlichen Personalplanung, die letztlich darüber entscheidet, ob ein Gemusterter auch eingezogen wird. Aber eine Lotterie daraus zu machen, welcher junge Mann Post vom Verteidigungsministerium bekommt, wäre respektlos gewesen. Deshalb ist es gut, daß Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sich durchgesetzt hat. Der Kompromiß, den er erreichte, ist allerdings nur beinahe gerecht. In Zeiten, in denen Gleichberechtigung endlich auf der Tagesordnung steht und zunehmend Realität wird, sollte nun eine Änderung des Grundgesetzes angestrebt werden, damit auch Frauen Dienst an der Waffe tun dürfen – und müssen.
Der Kommentar erschien am 14. November in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
Redaktion: Frank Becker
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