Was tut man nicht alles für einen „Oscar“

„Die my Love“ von Lynne Ramsay

von Renate Wagner
Die My Love
USA 2025

Drehbuch und Regie: Lynne Ramsay
Mit: Jennifer Lawrence, Robert Pattinson, Sissy Spacek. Nick Nolte: u.a.
 
Es gibt anstrengende Menschen, die aus welchen Gründen auch immer Wirbel verursachen. Sie sind in den Künsten sehr beliebt, weil „interessant“. Darum begegnet man ihnen lieber, wenn es schon sein muß, im Kino als in der Wirklichkeit. In dem Film „Die, My Love“ (zu Deutsch: Stirb, meine Liebe) der schottischen Regisseurin Lynne Ramsay (von der man sich an den Film „We Need to Talk About Kevin“ erinnert) spielt Jennifer Lawrence jene Grace, die zwei Stunden lang nicht nur die Nerven ihres Gatten (kaum zu erkennen, weit weg von dem faszinierenden jungen Vampir von einst, zum amerikanischen Durchschnittsmann zusammen gesunken: Robert Pattinson), sondern auch jene der Zuschauer strapaziert.
Nach der Buchvorlage „Mátate, amor“ der Argentinierin Ariana Harwicz erlebt man das Ehepaar in einer klassischen Situation. Zwei Großstadtmenschen, sie ist Schriftstellerin, sind aus New York ins sehr ländliche Montana gezogen, wo Jackson ein Haus von seinem Onkel geerbt hat. Daß Grace ein Kind bekommt, ist ein Teil des Problems, das Haus zu renovieren, wobei der Ehemann arbeitsmäßig viel weg ist, ist das andere. Aber müssen einsame Frauen unbedingt zu spinnen anfangen?
 
Man sieht nun dabei zu, wie Grace, die mit dem Baby nicht wirklich etwas anzufangen weiß, durchdreht, wie ihr Verhalten immer erratischer und unkontrollierbarer wird, sie Sex mit einem Fremden im Schuppen hat, das Badezimmer demoliert und schließlich auch den an sich geduldigen und anfangs liebevollen Gatten überfordert.
Nicht nur, daß Grace imstande ist, den Hund des Ehemanns zu erschießen, weil sein Bellen sie stört, sie legt sich auch mit jedermann an, attackiert Menschen, die ihr freundlich entgegen kommen wie ihre Schwiegermutter – eine alt gewordene Sissy Spacek, auf ersten Blick nicht zu erkennen, aber durch eine menschlich durchglühte Leistung ihren Rang erweisend. Noch ein Hollywood-Oldie – Nick Nolte als Alzheimer-Schwiegervater.
Am Ende steht zuerst die Psychiatrie, und tatsächlich ist der Film ein Krankheitsbild, ohne daß man heraus bekäme, warum Grace ist, wie sie ist, was in ihr vorgeht, was sie wirklich bewegt. Sie tobt nur eher real herum – bis der Film dann eine gewissermaßen eine mystische Wendung nimmt, die viele Fragen offen läßt – zündet Grace den Wald an, um sich selbst umzubringen? Wie auch immer, man ist erleichtert, daß man von ihr scheiden darf. zu sehr hat sich auch die Regisseurin für wüste Bildsprache und undurchsichtige Dramaturgie entschieden, abgesehen von einer attackierenden Musik- und Geräusche-Wand.
 
Daß Schauspielerinnen Rollen wie diese annehmen, weil schräge Charaktere immer die besten „Oscar“-Chancen haben, mag ein Grund gewesen sein, daß Jennifer Lawrence diese Rolle, die ihr wohl keinen Funken Sympathie oder Mitgefühl des Publikums einträgt, spielt. Und ihre körperlichen und seelischen Verrenkungen sind letztlich eindrucksvoll genug, daß die goldene Statuette winken könnte… Schließlich sind ihr Jungstar-Ruhm samt erstem „Oscar“ und damals bestbezahlter Schauspielerin Hollywoods längst verblasst, immerhin über ein Jahrzehnt her, also ist ein erneuter Karriereschub dringend nötig.