Wie unsere digitale Souveränität den Bach runter geht

Martin Andree: Krieg der Medien – „Dark Tech und Populisten übernehmen die Macht“

von Johannes Vesper
„Flood the Zone with shit“
 
Wie unsere digitale Souveränität den Bach runter geht
 
Bürgerkrieg ist unvermeidlich, glaubt Elon Musk. Zusammen mit Zuckerberg, Thiel u.a. beherrscht er mit Geld und Informationen die aktuelle Politik in den USA. Er hat hunderte von Millionen Dollars eingesetzt, um Trumps Wahl zu befördern. Sollte ihn Europa interessieren, könnten wohl alle Staaten zum Rechtspopulismus „bekehrt“ werden, was durch Medien erreicht werden würde. Seit dem Sturm der Trumpgemeinde auf das Kapitol im Januar `21 haben Bürgerkriege, Krawalle und politische Gewalttaten in den USA zugenommen. Martin Andree geht es um Europa. Er beschreibt und begründet, warum Europa den Krieg der Medien um ihre Demokratie verlieren wird. Der Krieg der Medien besteht im Kampf der US- Plattformen gegen Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen. Dabei werden Leser in die Irre geführt mit der Behauptung, bei den sozialen Medien handle es ich um offene „Markplätze“, auf denen jeder seine Meinung frei kundtun könnte, während die etablierte, redaktionell arbeitende, „Lügenmedien“ genannte Presse und ihre „korrupten Eliten“ vor allem Staatsinteressen verbreiten würden. 

       Elon Musk schrieb auf seinem Twitter-Organ nach der erfolgten Wiederwahl Trumps an seine User: „You are the Media now“. Martin Andree macht für den Krieg um und in diesen Medien ihre Eigentümer verantwortlich, also die riesigen US-Medienkonzerne wie Google, Facebook, Instagram, Twitter, Meta u.a., die sich vom Garagenidealismus ihrer Frühzeit entfernt haben und jetzt als Dark Tech Konzerne mit Verleumdungen, Mobbing, Beleidigung die öffentliche Diskussion und Agenda bestimmen. Die Kraft ihrer „unzensierten“ Plattformen kann dabei gar nicht überschätzt werden. Es wird gezeigt, wie sich Dark Tech und Politik mit einander verbinden. Peter Thiel wird zitiert, wir seien Zeugen eines Krieges der alten Wissenseliten gegen das neue Medium des Internets – ein Krieg den das Internet gewonnen hat.

       Wenn die Polizei in Deutschland auf die Sicherheitssoftware Palantir umstellt – da ist Peter Thiel Großaktionär – und das deutsche Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik eine strategische Zusammenarbeit mit Google und Amazon anstrebt, dann ist unsere Souveränität gefährdet. Schon bei den immer wieder notwendigen Updates des Quasimonopolisten Microsoft mit der Notwendigkeit neue Computer zu kaufen, weil die alten mit den neuen Updates nicht mehr arbeiten können, merkt jeder die Abhängigkeit von den inzwischen skrupellosen, feindseligen USA unter dem Dealmaker und Erpresser Trump. Was es wirklich bedeutet, wenn Google derzeit 5 Milliarden für Rechenzentren in Deutschland ausgibt und Tausende von Arbeitsplätzen schafft, ahnt man nach der Lektüre des Buches. Wenn Europa eine eigne digitale Souveränität nicht schafft, dann sind Demokratie und Rechtsstaatlichkeit am Ende und werden in der Geschichte zu einer Episode wie die attische Demokratie im 5. Jahrhundert v. Chr. Alle unsere Daten, auch die der Industrie und der öffentlichen Verwaltungen, liegen bei Microsoft und Google. Europa befindet sich in der Zange – im Osten quält Putin militärisch, die USA haben sich schon mitten in unserem System eingenistet. Vance sah in Europa die Meinungsfreiheit bedroht, die durch Trump und ihn selbst verteidigt werden müsse gegen den „Paper belt“, also gegen die Summe von Intellektuellen, Akademikern, Wissenschaftlern, Beamten, gegen „Papiertiger und Klugscheißer“.

       Die digitalen Probleme sind gewaltig und Martin Andree versucht in diesem Buch, Verständnis dafür zu wecken. Seit mehr als 15 Jahren beschäftigt er sich mit der digitalen Macht- und Meinungskonzentration. Seine Sprache ist dabei alles andere als wissenschaftlich trocken, leicht zu lesen, gelegentlich stilistisch flapsig (was bedeutet „blitzdingsen“ genau?) oder auch marktschreierisch und wohl auch dank Wiederholungen gelegentlich redundant, aber oft kämpferisch und wahrscheinlich nicht übertrieben. So bekommt der Leser unter der Lektüre einen Eindruck von der Bedrohung durch den Kampf in und um die Medien unter US-amerikanischer Hegemonie. Im Buch wird auch die immer wieder behauptete historische Tiefe der Medienrevolution, die in der öffentlichen Diskussion verglichen wird mit der Erfindung der Druckerpresse, diskutiert und analysiert. Vor diesem Hintergrund wollen die „Freiheitskämpfer Vance, Trump und Co.“ zusammen mit Dark Tech, also die digitalautokratischen Internetoligarchen, die unmündigen Massen von der „Tyrannei der Demokratie“ befreien und sie ausschließlich mit wahren Wahrheiten ihrer Plattformen füttern.  

       Dabei war das weltweite Netz ursprünglich als freies Medium gedacht. Die Nähe dieser Libertären zu den Autonomen und Anarchisten, der digitale Feudalismus (Amazon, Apple Music usw.) wird sehr nachvollziehbar dargestellt. Das Ziel der Libertären, nämlich die Abschaffung des Staates und die Machtübernahme durch die Konzerne (Dark Tech) wird durch Monopolisierung erreicht, unterstützt durch die US-majorisierte KI. Schöne Aussichten. Ein freies sicheres europäisches Internet, welches den Nutzern gehört, könnte uns retten, ist aber nicht in Sicht. Auch unsere neue Regierung hat dieses Problem nicht auf dem Schirm. Das Buch ist dringend zu empfehlen
 
Martin Andree: Krieg der Medien – „Dark Tech und Populisten übernehmen die Macht
© 2025 Campus Verlag, Frankfurt, New York, 256 Seiten, gebunden - ISBN 978-3-593-52098-8 (oder eBook als PDF ISBN 978-3-593-46213-4 / EPUB ISBN 978-3-593-46212-7) 28,00 €
 
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