Zum Heulen schön

Philipp Maria Rosenberg – „Rotwelsch“

von Frank Becker

Artwork: Severin Koller
Operetten-Romantik als Jazz?
 
Zum Heulen schön, beweist „Rotwelsch“
 
Was Sie mit diesem Album bekommen, ist lupenreiner Jazz. Was Sie mit diesem Album bekommen, sind Erinnerungen an den vergangenen Glanz von Operette und Tonfilm. Was Sie aber vor allem mit diesem wunderbaren Album bekommen, sind 51 zauberhafte, verzaubernde Minuten.
Liest man die Namen Carl Zeller (Schenkt man sich Rosen in Tirol), Emmerich Kálmán (Wenn es Abend wird), Karl Millöcker (Ich schenk mein Herz) oder Robert Stolz (Die ganze Welt ist himmelblau) und die zugehörigen Liedertitel, denkt man an jubelnde Soprane und Tenöre, an knallbunte Operettenbühnen und Kostüme und an zuckersüße Soubretten. Der Name Werner Richard Heymann (Irgendwo auf der Welt) verspricht Musik zu schwungvollen, optimistischen Filmkomödien der 1930er Jahre, ist aber auch, ähnlich Joseph Beer (Wunderbare Träume) verbunden mit dem schweren Schicksal der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Emmanuel Chabriers „Sternenromanze“ werden hierzulande nur die wenigsten kennen, das Werk des Franzosen blieb in Deutschland weitgehend unaufgeführt.
 
Die hinreißenden Jazz-Arrangements all dieser und weiterer Titel durch den feinfühligen Schweizer Pianisten Philipp Maria Rosenberg, die Aufnahmen mit dem sensiblen Florian Kolb am Kontrabaß und Jordi Pallarés Barberà vornehm am Schlagzeug sind ein faszinierendes Dokument für die Vereinbarkeit der Zusammenführung von Operettenmusik mit dem Jazz geworden. Das Trio erschafft mit „Rotwelsch“ einen völlig neuen musikalischen Kosmos, und man kann den dreien bescheinigen: grandios. Der Titel ist vielleicht etwas unglücklich gewählt, denn das Rotwelsche steht ja im wesentlichen für die Gaunersprache. Doch eine Gaunerei ist dieses höchst kultivierte, sensibel mit den Vorlagen umgehende Album gewiß nicht.
Oft schimmert das Original durch, greift vor allem bei den ehemaligen Gassenhauern das Beseligende der Melodien zart und elegant auf, aber insgesamt bekommen wir eine neue, großartige Musik präsentiert, die das Beste der Vorlagen aufnimmt und das Beste neuer Interpretationsansätze hinzu gibt. Und das ist – siehe oben – lupenreiner Jazz der Extraklasse, verzaubernd und fast zum Heulen schön.
 
Das Album ist ab 5.12. im Handel. Sehr zu empfehlen und sicher eine der besten Jazz-Neuerscheinungen auf dem aktuellen Plattenmarkt. Von uns dafür unser Prädikat, den Musenkuß!
 
Philipp Maria Rosenberg – „Rotwelsch“
© 2025 Unit Records (CD)
 
Philipp Maria Rosenberg (p) – Florian Kolb (b) – Jordi Pallarés Barberà (dr)
 
1 Wenn es Abend wird, Part 1 (Emmerich Kálmán) - 2 Wunderbare Träume (Joseph Beer) - 3 Prolog (Philipp Maria Rosenberg) - 4 Die ganze Welt ist himmelblau (Robert Stolz) - 5 Ich schenk mein Herz (Karl Millöcker) - 6 Sternenromanze (Philipp Maria Rosenberg) - 7 In der Heimat (Joseph Beer) - 8 Schenk mir das Himmelreich (oseph Beer) - 9 Intermezzo (Philipp Maria Rosenberg) - 10 Irgendwo auf der Welt (Werner Richard Heymann) - 11 Schenkt man sich Rosen im Tirol (Carl Zeller) - 12 Wenn es Abend wird, Part 2 (Emmerich Kálmán)
Gesamtzeit: 50:58