Lebenslänglich die selben Albernheiten
Samuel Becketts „Endspiel“
Mit: Kevin Wilke (Clov) - Thomas Braus (Hamm) und den Stimmen von Elisabeth Hummerich (Nell) – Moritz Müller (Nagg)
Inszenierung: Henner Kallmeyer – Kostüme: Silke Rekort – Bühne: Team – Dramaturgie: Moritz Müller
Schwarzer Guckkasten, prächtiger roter Vorhang, hier kündigt sich Theater in seiner klassischen Form an. Vorhang auf, das Endspiel kann beginnen. Regisseur Henner Kallmeyer hat sich, was das Bühnenbild betrifft, beinahe an die Vorgaben Becketts gehalten: die Bühne leer bis auf zwei Mülltonnen (abseits), zwei Fenster links und rechts hoch oben, eine Klapp-Leiter (transportabel), die Küchentür aber fehlt. Im Zentrum ein rollbarer (Thron)Sessel, auf dem Hamm (Thomas Braus) sitzt, blind, gelähmt und zunächst schlafend, dann exaltiert nervös. Wir bekommen das hoffnungslos Absurde im klassischen Rahmen. Gab es beim Vorgänger „Warten auf Godot“ noch Hoffnung, bekommen wir hier das auf einen Nukleus reduzierte Ende der Welt, den Schluß jeglicher Existenz.
Clov (Kevin Wilke) tritt steifbeinig und mit allerlei Slapstick-Einlagen auf und schnell wird sichtbar, daß er in dieser Godot-epigonalen Farce von Samuel Beckett die einzige Figur ist, die noch Entscheidungen treffen und sich einigermaßen bewegen kann. Zwar aus mancherlei Gründen von Hamm abhängig und ihm untertänig schwelt in ihm doch der Gedanke an Flucht. Aber wenn, wohin? Der wiederholte Blick aus einem der beiden hohen Fenster läßt ahnen, daß draußen längst das Nichts ist, ein Weggehen also sinnlos, zumal Clov die steifen Beine hat und nur stehen und gehen, sich nicht setzen kann, allein ebenso lebensunfähig ist wie Hamm und Clovs Eltern Nell und Nagg, die nach einem Unfall gänzlich ohne Beine in den beiden Mülltonnen vegetieren. Hier erlaubt sich Kallmeyer ein gefährliches Abweichen von der Vorgabe: er ersetzt die realen Figuren durch von Kevin Wilke geführte Kasperle-Handpuppen mit Stimmen vom Band. Das wirkt zwar im ersten Moment lustig, ist aber eine alberne Kontrafaktur, die den tödlichen Ernst des absurden Stücks unterläuft. In diese Kategorie gehört auch der Running Gag rumpelnder Zwischenfälle, Zusammenstöße mit der Leiter samt Clovs Blick auf das Objekt, deutlich von Butler James und dem Tigerfell in „Dinner for One“ abgeschaut.
Endlose sinnfreie Monologe vor allem Hamms ermüden, spitze, um sich selbst drehende Dialoge verlaufen im Sand der unaufhaltsam verrinnenden Zeit. Als Nell in ihrem Mülleiner stirbt, gibt es für Clov einen Grund weniger zu bleiben. Auch wenn alles vorbei ist, die Welt leer und gestorben, hier möchte er nicht sein Ende erleben. Im Schlußbild sehen wir ihn mit gepacktem Koffer, die Beine genesen, stumm auf den salbadernden Hamm schauen.
Das von der Uraufführungs-Kritik und mit einigem Recht auch später häufig abgelehnte Stück wird durch die starke Leistung Wilkes und Braus´ dennoch erlebenswert. Es gehöre einiger Mut dazu, Becketts „Endspiel“ aufzuführen schrieb ein Kritiker nach der Londoner Uraufführung. Stimmt.
Weitere Informationen und Termine: https://www.schauspiel-wuppertal.de/
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