Machtvöllerei
Wuppertaler Meinung und Dialog
Die Popgruppe Abba ist grundsätzlich nicht für philosophische Anwandlungen bekannt. Ihr gereichte zum Welterfolg, daß sich schöne Melodien mit guten Stimmen und visueller Schmeichelei paarten. Aber in einem hat das schwedische Quartett Menschenkenntnis und Weitsicht bewiesen. „The Winner takes it all“ – Der Gewinner bekommt alles – ist nicht nur einer der zahllosen Charterfolge der Superstars aus dem hohen Norden, es ist auch eine Weisheit, die gerade in den Jahren Konjunktur hat, seit Gewinnmaximierung und Maximaleffizienz die Regeln der sozialen Marktwirtschaft abgelöst haben.
Etwas seltsam mutet an, daß solches Gebaren ausgerechnet bei der Wuppertaler SPD einflußreiche Anhänger gefunden hat. Unerwartet und überraschend ist das vor allem auch deshalb, weil sich diese Partei über viele Jahrzehnte und sehr zu Recht auch auf das Erbe eines Friedrich Engels bezog. Und in Rudolf Dreßler hatte sie einen unermüdlichen Kämpfer für die Rechte der abhängig Beschäftigten sowie der Schwächeren in der Gesellschaft. Zu diesem Erbe will so gar nicht passen, was sich seit dem Ende der Kommunalwahl im September dieses Jahres in der Wuppertaler Politik abspielt. Aber es ist heute anscheinend halt so, daß auch der sozialdemokratische Gewinner alles beansprucht und den unterlegenen Mitbewerbern lediglich das Nötigste zum Überleben zuweist. Wenn überhaupt. So ist es folglich kein Wunder, daß die Sozialdemokraten unter der Anleitung ihres neuen Fraktionsvorsitzenden Benjamin Thunecke deftig zugeschlagen haben, als es um die Verteilung von teils mehr oder weniger gut bezahlten Funktionsstellen in der Kommunalpolitik ging. Abgesehen davon, daß Thunecke selbst vier ganz gut dotierte Aufsichtsratsvorsitze übernommen hat, davon die drei der Geschäftsbereiche bei den Wuppertaler Stadtwerken, ist es bei der Vergabe von einflußreichen Ausschußvorsitzen zu einer schwer nachvollziehbaren Häufung zugunsten von SPD-Mandatsträgern gekommen. Von zwölf frei zu bestimmenden Vorsitzen hat die SPD sich sechs unter den Nagel reißen können. Vermutlich nutzten sie dabei auch die Schlafmützigkeit der Konkurrenz. Das macht es aber im Endeffekt nicht besser.
Denn daß beispielsweise die CDU nur drei Vorsitze ergattern konnte, ist angesichts des Wahlergebnisses rein mathematisch nicht zu begründen. Das Ergebnis der Union war mit 22,2 Prozent zwar peinlich schlecht. Aber die SPD hat lediglich 6,6 Prozent mehr Stimmenanteil erreicht und damit auch noch das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Wuppertaler Geschichte. Welches Verteilungsverfahren auch immer angewendet wird – knapp sieben Prozent mehr Stimmenanteil können nie und nimmer zu doppelter Funktionsstellen-Anzahl führen. In Wuppertal geht das offenbar. Denn „The Winner takes it all“ – der Sieger bekommt alles, vor allem dann, wenn im Hintergrund alte Fahrensmänner mitverhandeln, die von dem Geschäft etwas verstehen, auf jeden Fall mehr als alle anderen zusammen, die mit am Tisch sitzen. Schlecht ist allerdings, wenn diesen Experten auf der Zielgeraden ihres politischen Wirkens das Gefühl dafür abhandenkommt, wie Kommunalpolitik zu ihrer eigenen Hoch-Zeit funktioniert hat. Nämlich wertschätzend und so, daß auch Mitstreiter anderer Parteien von Zeit zu Zeit als Sieger über die Linie gehen konnten. Auf diesem Wege entstanden einst tragfähige Kompromisse.
Anscheinend aber zieht es die SPD der Gegenwart vor, erst einmal so tief wie möglich in den Topf zu greifen. Das kann beispielsweise Benjamin Thunecke natürlich tun, solange ihm niemand etwas entgegenzusetzen im Stande ist. Womöglich verkennt er dabei aber, daß er nicht nur die Union, die Grünen und die anderen brauchbaren Fraktionen im Stadtrat düpiert. Er schadet auch der neuen Oberbürgermeisterin, die seiner eigenen Partei entstammt. Miriam Scherff kann dem, was in der SPD-Fraktion geschieht, nur tatenlos zusehen. Sie läuft nun Gefahr, mit einem Stadtrat zusammenarbeiten zu müssen, in dem alle Fraktionen argwöhnisch auf die SPD schauen und für Kooperationen womöglich kostspielig überzeugt werden müssen. Denn sie können nie sicher sein, nicht über den Tisch gezogen zu werden. Das macht es der ambitionierten Chefin im Rathaus nicht leichter. So könnte es geschehen, daß der Gewinner zunächst zwar alles bekommt, am Ende aber dennoch mit leeren Händen dasteht. Das wäre egal, wenn es nur die Partei beträfe. Mit der SPD verlören aber auch Oberbürgermeisterin Miriam Scherff und Wuppertal. Der Kommentar erschien am 13. Dezember in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
Redaktion: Frank Becker
|

