Schaut ihnen ins Gesicht

Guido Barbujani – „Wer wir waren“ - Die Geschichte der Menschheit in 15 Porträts

von Frank Becker
Schaut ihnen ins Gesicht
 
... und ihr schaut in den Spiegel der Menschheit
 
Nie zuvor hat mich ein Buch über die Paläoanthropologie, die Erforschung der Geschichte und Herkunft des Menschen so fundiert, jedoch leicht verständlich informiert und im wissenschaftlichen Plauderton zugleich so gut unterhalten wie dieses. Der italienische Populationsgenetiker und Evolutionsbiologe Guido Barbujani hat es verstanden, auf nur 253 Buchseiten und in 15 Kapiteln die den Ergebnissen der Forschung zu verdankenden 15 Porträts der bekannt gewordenen Vormenschen kompakt nachzuzeichnen. Gegen die 3,3 Millionen Jahre Evolutionsgeschichte zwischen dem Australopithecus afarensis mit dem Namen „Lucy“, dessen Reste in Äthiopien gefunden wurden und dem jüngsten Fund des Homo sapiens „Ötzi“, der vor 5200 Jahren in den Ötztaler Alpen starb, ist die Geschichte der modernen Gesellschaft und Industrie nur ein Wimpernschlag, wenn überhaupt.   
 
In Barbujanis Buch lernen wir vor der Gattung Homo sapiens, die nachweislich ca. vor 200.000 Jahren erstmals auftrat, all die kennen, die zuvor der Grundstein für die künftige Entwicklung für den reflektierten, denkenden, handelnden, Werkzeug und Feuer nutzenden, Gesellschaften bildenden Menschen waren. Über den gesamten Globus verteilen sich diese Spuren der über lange Zeiträume und riesige Entfernungen zu Fuß geschehenen Wanderungs-Bewegungen, aus denen schließlich seßhafte Kulturen entstanden. Klimaverhältnisse, Nahrungssuche und Neugier werden die Hauptgründe gewesen sein, von den Bäumen zu steigen, angestammte Gebiete zu verlassen und Kulturen und Riten zu entwickeln.
 
„Anhand von fünfzehn lebensechten Rekonstruktionen von Steinzeitmenschen entführt er uns in die Welt von Homo erectus, der als Erster das Feuer zu beherrschen wusste. Wir tauchen ein in das Leben der kleinen Hominiden der Insel Flores in Indonesien, die später als »Hobbits« bezeichnet wurden, begleiten einen Neandertaler bei der Großwildjagd und staunen über die einzigartige und vielfältige Ausrüstung, die sich in Ötzis Gürteltasche fand. Auf der Grundlage von fossilen Funden, Jahrtausende alten Gebrauchsgegenständen und Genomanalysen gewährt Barbujani vollkommen neue Einblicke in die Lebensweisen dieser frühen Menschen und führt uns zugleich vor Augen, was uns zu dem gemacht hat, was wir heute sind.“ (Verlagstext)
 
Wir wissen bei Beendigung dieser aufschlußreichen Lektüre viel mehr über uns und unsere wahrscheinliche Herkunft, als uns bislang über andere Quellen ermöglicht wurde. Wir wissen aber auch – der Autor weist gleich zu Beginn darauf hin -, daß die paläoanthropologische Forschung uns schon morgen mit völlig neuen Erkenntnissen überraschen kann.
Wer sein Wissen über, ja im Grunde sich selbst vertiefen möchte, sowie seinen Respekt vor Wissenschaft und Forschung, ist mit diesem Buch bestens beraten. Es ist faszinierend, in die Gesichter unserer Vorfahren zu blicken, die mit den Fähigkeiten moderner Gesichts-Rekonstruktion möglich wurden. Man sollte es lange und ausgiebig tun – und innehalten.
 
Das Buch ist als die ideale Lektüre für Wißbegierige jeden Alters sehr zu empfehlen. Auch und besonders als Geschenk ist es geeignet. Ein Glossar ermöglicht besseres Verständnis, Literaturhinweise können helfen, das Wissen noch zu erweitern.
Wir geben diesem ganz besonderen Buch gerne unser Prädikat, den Musenkuß.
 
Guido Barbujani – „Wer wir waren“
Die Geschichte der Menschheit in 15 Porträts - Aus dem Italienischen von Enrico Heinemann
© 2025 DVA, 253 Seiten, gebunden, Schutzumschlag 15,5 x 21cm, 15 farbige Abbildungen nebst zeitlichen Übersichtskarten  -  ISBN: 978-3-421-07044-9
28,- €
 
Weitere Informationen: https://www.penguin.de