Bei Söder weiß man nie
Nur 83,6 Prozent: Dämpfer für den CSU-Chef
Von Lothar Leuschen
Das Ergebnis der Wiederwahl von Markus Söder zum Parteichef der CSU ist ebenso peinlich wie erklärlich. Peinlich ist es, weil 83,6 Prozent bei einer Wahl ohne Gegenkandidaten einem Mißtrauensvotum näherkommt als einem überzeugenden Votum. Daß fast 17 von hundert Delegierten ihrem Frontmann die Gefolgschaft verweigern, ist im Vergleich normalerweise eine Domäne der SPD. Diesmal hat es Söder getroffen. Das schlechte Ergebnis ist aber auch damit zu erklären, daß in Bayern keine Landtagswahlen anstehen. Und das schlechte Ergebnis von vor zwei Jahren dürften die Parteimitglieder mittlerweile verdaut haben.
Vermutlich stimmten einige junge Delegierte nicht für Ihren Chef, weil sie mit den Rebellen in der Bundestagsfraktion sympathisieren. In der Rentenfrage war Söder schließlich schon deshalb voll auf Regierungskurs, weil seine Mütterrente mit dem Reformpaket über die Ziellinie gehen sollte. In der Mehrzahl dürfte der Ministerpräsident aber die Erzkonservativen in seiner Partei erzürnt haben. Seit Friedrich Merz als Kanzler die Bundesregierung mit der SPD anführt, ist Söder ungewöhnlich zahm geworden. Keine allzu schmerzhaften Spitzen gegen den Regierungschef, und auch mit der aufmüpfigen SPD geht er sanft um. Selbst die antikapitalistischen Anwandlungen von Arbeitsministerin Bärbel Bas haben ihn zuletzt kaum aus der Reserve gelockt. Allein die AfD muß sich von Markus Söder anhören, was er von den Rechtsextremen hält. Nämlich überhaupt nichts. Dabei macht Söder aber nicht den Fehler, die ganz Rechten rechts überholen zu wollen. Er gibt mehr den seriösen, konstruktiven Partner von CDU und SPD, der ausschließlich darum kämpft und wirbt, Deutschland aus der Mitte des demokratischen Spektrums zu reformieren.
Dennoch sollte niemand glauben, daß der bayerische Wolf Kreide gefressen hat. Es könnte vielmehr sein, daß Söder sich allen Dementi von Berlin-Ambitionen zum Trotz für eine Kanzlerkandidatur in drei Jahren warmläuft. Bei dem Polterer aus Bayern weiß man ja nie.
Der Kommentar erschien am 15. Dezember in der Westdeutschen Zeitung.
Übernahme des Textes mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
Redaktion: Frank Becker
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