We are the champions!

Das Essener Aalto-Ballett tanzt Queen

von Peter Bilsing
Hommage an Queen
 
Tanz-Revue mit artistischen und klassischen Ballett-Elementen
 
„Ich möchte, daß die Leute aus einem Queen-Konzert gehen und sich gut unterhalten fühlen.“
(Ben Van Cauwenbergh)
 
Premiere im Essener Aalto-Oper am 7.3.2009
 
Viel Queen, viel Gymnastik und Tanz, tolle Bühne – wenig Ballett. So könnte man das neueste alte Werk von Ben van Cauwenberg zusammenfassen, welches 2004 seine Uraufführung in Wiesbaden hatte und zwischenzeitlich auch in Darmstadt und Wien zu sehen war. Gespickt mit rund 30

Foto © Aalto Theater
Queen-Songs ist diese Tanzhommage an Queen nicht mehr aber auch nicht weniger als eine gelungene Revue, ein „Nummernpotpourri“ ohne Tiefgang, mit dem reinen Ziel zu unterhalten. Und das gelingt perfekt. Cauwenbergh entführt uns stressgeplagte Menschen in eine schöne Welt noch schönerer Musik in teilweise famosen und aufwendigen Bildern. Auch die moderne Bühnentechnik wird endlich sinnvoll eingesetzt, bevor die Hydraulik marodiert.
 
Multimedial

„Es ist mein Anliegen mit diesem Stück, mit dieser Musik auch Menschen in unser Haus zu holen, die ansonsten nicht ins Theater gehen und schon gar nicht in eine Ballettvorstellung… Mein Wunsch ist es, mehrere Generationen im Theater zu unterhalten und ihnen allen Spaß zu bereiten.“
(Ben van Cauwenbergh) Gottseidank spielt sich das Ganze nicht auf der teilweise hirnlosen Ebene des ebenfalls in Essen laufenden Dummbrösel-Musical-Gaudis „Ich will Spaß – ich geb Gas“ ab.
Musik wird in Bewegung und teilweise psychedelische Bilder und Videos umgesetzt, also Tanz + Projektionen – wobei die mehr als beeindruckende Bühne und die Bilder von Dmitrj Simkin allerdings so opulent daher kommen, daß man die Tänzer oft aus den Augen verliert; ein immerwährendes Problem multimedialer Musiktheaterwerke, aber andererseits motiviert es ggf. zu wiederholten Besuch.
 
Ausverkauft !

Leider sind (was abzusehen war!) die wenigen Vorstellungen für diese Saison schon vor der

Foto © Aalto Theater
Premiere restlos ausverkauft gewesen. Ärgerliches Faktum, vor allem, da man ja im Hause sehr genau wußte, daß in Wiesbaden das Stück über Jahre hinaus immer ausverkauft war und das Haus auch noch weitere Jahre hätte gefüllt werden können. Abertausende Wiesbadener können kaum irren, oder? Doppelt ärgerlich für alle Tanzfreunde, die in der Kritik lesen, was sie verpaßt haben und nun keine Chance auf Karten haben. So verärgert man sein Publikum! Gerade einmal lachhafte 13 Termine sind angesetzt. Das ist schon fast ein Hohn gegenüber dem Publikum, insbesondere wenn es erklärtes Ziel ist, „neues Publikum zu gewinnen“. Qualitätsmanagement und Disposition: mangelhaft!
 
Doch zurück zur Produktion: Der belgische Choreograph Ben van Cauwenbergh, früherer Ballettdirektor am Hessischen Staatstheater Wiesbaden und dort ein quasi „Volksheld des Tanzes“, ist jetziger Ballettchef am Essener Aalto und ein durchaus cleverer Mann. Mit „La vie en Rose“ gewann er erstmal die Herzen der älteren Zuschauer und mit dieser „Queen-Hommage“ sind ihm die Jugendlichen sicher. Die vielseitige Musik der Popgruppe Queen ist auch und besonders nach dem Riesenerfolg des Musicals „We will rock you“ ein garantierter risikoloser Erfolg und Dauerbrenner. Böse Zungen würden sagen, daß Cauwenbergh sich hier doch ein bisserl arg populistisch ans Publikum ranwirft, aber warum nicht? Besser ein volles Haus mit Standing Ovations, als ein durch unverständliche Moderne vergrätztes Publikum, wie z.B. jetzt in Wiesbaden bei Cauwenberghs Nachfolger Stefan Thoss, wo die Ballettgemeinde scharenweise aus dem Theater flüchtet und die Abos gekündigt werden. Man nennt so etwas dann Abstimmung mit den Füßen.
 
Qualität fürs Publikum

Gegen sein Credo „Nichts ist schöner für Tänzerinnen und Tänzer als vor einem vollen Haus zum

Foto © Aalto Theater
tanzen und ein glückliches Publikum zu erleben. Wenn die Menschen auf der Bühne und im Zuschauerraum zusammen harmonieren, ist das auch mein Erfolg“,
 ist nichts einzuwenden, außer vielleicht, daß gerade moderner Tanz oder zeitgenössisches Ballett sich nicht immer so einfach, leicht und auch oberflächlich erschließt.
 Der Versuch jugendliche noch nicht Profitänzer - hier vom Gymnasium Essen-Werden - in die Produktion mit einzubauen ist (im Gegensatz zur letzten Opernproduktion der Oberammergauer Trachtengruppe namens „Fürst Igor“) sinnvoll und fördert vielleicht endlich einmal den Aufbau einer hauseigenen Ballettschule, wie es sie in anderen Städten gibt.
 
Pas de deux

Der Abend ist sehr kurzweilig, und die rund zweimal 45 Minuten sind bis zum Rand und ohne Ruhepunkte eigentlich rundherum mit Tanz-Action gefüllt; ob klassischer Tanz mit modernen Bewegungselementen kombiniert, mit eingesprenkelten Soli und Pas de Deuxs oder großen Ensembles – es ist ein galanter bunter Frühlings-Teller. Technisch ist allerdings nicht alles so überzeugend wie die für mich uneingeschränkte Krönung des Abends, der geniale „pas de deux“ von

Foto © Aalto Theater
Ivan Korneev und Marat Ourtaev zu „Who wants to live forever“ oder die Sololeistung von Davit Jeyranyan in „The invisible Man“. Das hatte nicht nur den nötigen Ernst, sondern war wirklich reif für Ovationen. Und hier kamen bei mir Erinnerungen hoch an den überzeugendsten Ballettabend, den ich im Aalto bisher erlebt hatte, nämlich Mario Schröders kongeniales Tanztheater „The Wall“ von 2002. Nun ist Pink Floyd aber auch etwas andere Musik, als Queen, oder?
 
Schön, daß die Menschen endlich das Essener Ballett stürmen, und die Auslastungsstatistik zur imaginären 100 Prozent Sollmarke tendiert. Kurios, daß sie damit das Musiktheater zu übertreffen droht. Das doch etwas ältere Premieren-Publikum fühlte sich amüsiert und sprang zum Ende hin sogar auf die leider etwas nervige und dauernde Klatschmarsch-Anmache sogar mehrheitlich auf. Publikums-Unterhaltung pur kann bestätigt werden. Und nicht mehr bzw. weniger war doch die Absicht des neuen Ballettchefs van Cauwenbergh.
 
P.S. Kartennachfragen unter 0201-8122200 sind sinnlos, da alle Folgevorstellungen ausverkauft sind.

Redaktion: Frank Becker