Ginkgo und Exlibris

Sammler-Erinnerungen

von Klaus Stiebeling

Helmut Dohrmann - Exlibris für Klaus Stiebeling
Wie Ginkgo und Exlibris zusammenkamen
 
Es begann in meiner Jugend. Irgendwann stößt man unweigerlich auf Goethes Gedichte und auf den "West-östlichen Divan". Dort findet man "Ginkgo biloba", und wenn man etwas mehr über die Entstehung des Gedichtes erfahren möchte, liest man die Geschichte der wunderbaren Liebe zwischen Goethe und Marianne von Willemer.
Im Alter von 26 Jahren (1965) verschlug es mich nach Japan, und Goethes Gedichte waren weit weg. Mein Interesse an moderner japanischer Kunst und Bekanntschaften mit japanischen Künstlern traten in den Vordergrund. Die Welt des Exlibris öffnete sich mir. T. Miyashita war der Erste, der für mich ein Exlibris gestaltete. Der Eintritt in die N.E.A. (Japanische Exlibris-Gesellschaft) folgte, und als der bekannte Radierer I. Furusawa sich bereit erklärte, für den Kalender der N.E.A. ein Exlibris mit meinem Namen zu gestalten, war ich sehr glücklich.
 
Die Jahre vergingen, und als ich eines Tages im Herbst im Zempukuji-Park in Tokyo einen
Ginkgobaum mit darunter liegenden "Ginnan" (Samen bzw. Nüsse dieses Baums) entdeckte, war mein Interesse am Ginkgo biloba wieder geweckt. Schon öfter hatte ich die Ginnan als Bestandteil der japanischen Küche gesehen. Ich fing an zu sammeln, allerdings zuerst einmal die Früchte, die am Boden lagen. Das nach faulen Eiern riechende Fruchtfleisch war schnell entfernt, der Gestank an den Händen abgewaschen und die Ginnan brutzelten zu Hause in der Pfanne. Ähnlich wie Maronen werden sie mit der Schale geröstet, bis diese aufplatzt und das mehlige Innere freigibt, das auch ein wenig wie die hierzulande bekannten Eß-Kastanien schmeckt. Es kam fast zwangsläufig, daß ich von nun an nach Ginkgobäumen Ausschau hielt und später gelegentlich auch in Furudoguya (Trödelläden) und Antiquitätengeschäften nach Gegenständen mit dem Ginkgomotiv fragte. Selten, daß ich mal fündig wurde.
 
Der Abschied von Japan kam nach 30 Jahren im Jahre 1995, aber auch danach dauerte es noch ein paar Jahre, bis mir klar wurde, daß ich nun zwei Sammelleidenschaften hatte: Exlibris und "Ginkgonalia". Eines der ersten Stücke meiner Ginkgonalia-Sammlung war ein Netsuke in Form von drei Ginnan, das ich auf einer Auktion japanischer Kunst in Köln erwarb und an dem ich mich heute noch erfreue, indem ich es ab und zu in die Hand nehme. Nicht umsonst nennt man Netsuke in deutscher Sprache auch "Handschmeichler". (Man kann es bis Mitte April noch in meiner Ginkgonalia-Ausstellung im Botanischen Garten auf der Hardt in Wuppertal sehen.)
 
A
ls ich im Jahre 2006 auf Arbeiten des Künstlers Helmut Dohrmann stieß, war mein erster Gedanke: Von dem müßte man sich ein Exlibris mit dem Motiv des Ginkgoblattes anfertigen lassen. Ich nahm Kontakt zu dem mir bis dahin unbekannten Künstler auf.
 "Über den Preis können wir ja später noch reden", meinte er. "Ich mache Ihnen zuerst mal ein paar Entwürfe." Die fein in Aquarell ausgearbeiteten Entwürfe kamen kurze Zeit später mit der Post, sie gefielen mir sehr, und ich entschied mich für das hier gezeigte Motiv. Und dann der Schock: 1.700 Euro für 50 Drucke. Auf 1.500 Euro konnte ich ihn runterhandeln, mehr war nicht möglich. Er rechnete mir nämlich vor, was ein Rechtsanwalt oder Arzt mit einem abgeschlossenen Hochschulstudium pro Stunde verdiene. Bestimmt mehr als ein Elektromeister, und der verdient in Deutschland wenigstens 40 Euro pro Stunde. Daß er, mit einem abgeschlossenen Kunststudium nicht weniger verdienen könne, müsse ich verstehen. Es seien eben auch so und so viele Arbeitsstunden, die er für den Druck brauche, zumal er eine Farbradierung nicht von einer Platte zu drucken pflege, sondern mindestens von zweien. Das ist wohl nur bei sehr wenigen Radierern der Fall.
 
Gewiß, ich hätte den Auftrag zurückziehen können, aber das wollte ich nun auch wieder nicht. Er
versprach mir zudem, mir die fünf oder sechs Entwürfe in Aquarell zu schenken, und ich erklärte mich mit dem Preis einverstanden, obwohl es schmerzte.
 Ich hatte den Wunsch geäußert, daß ich das japanische und chinesische Wort für "Ginkgo" gern mit im Bild hätte, woraufhin er im Internet gleich das Wort in Katakana herausgesucht hatte. Die ungewöhnliche Buchstabenfolge (kg) in Ginkgo stammt wohl aus der Zeit um 1691, als der deutsche Arzt und Forscher Engelbert Kaempfer sich von den Japanern das Wort Ginkgo erklären ließ, das eigentlich in lateinischen Buchstaben "Ginkyo" geschrieben werden  müßte. Durch ein Mißverständnis oder einen Übertragungsfehler entstand daraus die Schreibweise, wie wir sie heute kennen. Einmal in die Wissenschaft eingegangen, konnte es nie wieder korrigiert werden. Goethe wußte dann wohl auch nicht recht, wie er es aussprechen sollte: "Ginko" (richtig) oder "Gingo" (falsch).
 
Im fertigen Blatt hat Helmut Dohrmann nun nicht Katakana verwendet, sondern die andere japanische Silbenschrift, Hiragana, sowie das chinesische Schriftzeichen (Kanji). Ich finde, die Eleganz der Hiragana-Zeichen hat Dohrmann gut hinbekommen, das kleine "yo" war natürlich zuerst mal zu groß geraten. Und sollte es nicht auch noch ein bißchen "gedrängter" zwischen "chi" und "u" stehen?
Nach ungefähr einer  Woche erhielt ich  einen Anruf des Künstlers, in dem er mir mitteilte, die Auflage sei fertig gedruckt, und er wolle mich gern besuchen kommen, um sie mir zu bringen. Die persönliche Begegnung mit ihm war ein bereicherndes Erlebnis und endete damit, daß wir uns bei einer Flasche Wein das freundschaftliche "du" anboten.

Lesen Sie zum Thema "Exlibris" auch: www.musenblaetter.de/Exlibris

Redaktion: Frank Becker