Georg W. Borsche: Die Musiker-Zeichnungen

von Johannes Vesper
Georg W. Borsche: Die Musiker-Zeichnungen
 
Für die Berliner Festwochen 1964 hatte deren damaliger Leiter Nicolaus Nabokov, der Bruder des berühmten Schriftstellers, Igor Strawinsky (1882-1971) eingeladen. Er sollte das Berliner Philharmonische Orchester dirigieren. Auf dem Programm standen die Burleske „Renard“ und das Capriccio für Klavier und Orchester sowie Les Noces und „Abraham und Isaac“. Die beiden ersten Stücke dirigierte Strawinsky selbst, die beiden anderen Stücke sein Schüler und Vertrauter, der amerikanische Komponist und Dirigent Robert Craft (geboren 1923).
 
Zum Berliner Philharmonischen Orchester gehörte damals der Bratscher und Maler Georg W. Borsche. Bei diesem Konzert mußte er nicht bei allen Stücken mitspielen. So hatte er während der Proben Zeit Strawinsky intensiv zu beobachten. Seine Notizen zu diesem Konzertabend sind ebenso erhalten wie seine Zeichnung des damals 82-jährigen Igor Strawinsky. Im Werk G.W. Borsches finden sich nur wenige Zeichnungen. Eigentlich war GWB Maler und als solcher Vertreter des deutschen Informel. Aber der Erfolg seiner Strawinsky-Zeichnung  bewog ihn, immer wieder einmal auch zum Zeichenstift zu greifen und Dirigenten wie Solisten sozusagen in der Pause zu skizzieren. So sind zwischen 1964-1985 einige Zeichnungen von Musikern entstanden, die heute hier erstmalig zusammen publiziert werden.
 
Begegnung mit Igor Strawinsky

Borsches Notizen zum Konzertabend am 22.09.1964 wurden uns von seiner Familie zur Verfügung gestellt: 
 „Im Gehen schon etwas behindert, erschien der Meister zu den Proben, recht leger gekleidet, ein
 
Handtuch über die Schulter geworfen, Er wandte sich mit einigen begrüßenden Worten in erstaunlich gutem Deutsch an das Orchester und drückte seine Freude aus, nach so langer Zeit wieder mit uns musizieren zu können. Er hatte 1931 das erste Mal vor dem Orchester gestanden.
Ich brauchte Les Noces nicht mitzuspielen und hatte Gelegenheit, den Meister genau zu beobachten. Ziemlich weit weg am Rande des Podiums sitzend, damit mein Vorhaben nicht auffiel, konnte ich ihn mit dem Zeichenstift festhalten. Er benutzte keinen Taktstock. Seine Bewegungen waren sehr temperamentvoll und trotz seines Alters energiegeladen, wenn sie auch etwas ungelenk wirkten, da er die Ellbogen sehr hoch hielt. In der Pause strömten viele Kollegen zum Pult des Meisters und baten um ein Autogramm. Mit meiner Zeichnung stand ich auch vor ihm,....er sah meine Zeichnung und rief aus „Das ist gut“ und ganz schnell schrieb er mit einem dicken Filzstift seinen Namen auf mein Blatt. …
…Der erste Besuch in Deutschland nach Kriegsende eines so weltberühmten Komponisten wurde in der gesamten bundesrepublikanischen Presse mit Rezensionen gewürdigt. Die Westfälische Rundschau schrieb am 24.09.64: „Erwartungsvolle Spannung lag vor Beginn des Strawinsky-Konzerts über der vollbesetzten Philharmonie. Als der Bundespräsident zusammen mit dem regierenden Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, den Saal betrat, erhoben sich die Besucher von den Plätzen. Sie spendeten lang anhaltenden Begrüßungsbeifall, als der greise Igor Strawinsky, schwer auf einen Stock gestützt, das Podium betrat. Freundlich dankte er für den Willkommensgruß. Alle Hinfälligkeit schient verschwunden, als er die Burleske „Renard“ aus dem Jahre 1916/17 mit eindringlicher Geste dirigierte, jene groteske Kantate aus dem Tierreich, zu der eigentlich die Tanzszene gehört. War danach der Beifall schon sehr stark, so wurde die Aufführung der in geistvoller, musikantisch-kapriziöser Weise an Carl-Maria von Webers orientierten Capriccios für Klavier und Orchester aus dem Jahre 1929 unter Leitung Strawinskys vollends zu einem Triumph für den weltberühmten Komponisten und seinen Solisten Nikita Magaloff, der dem Solopart spielerische Brillanz verlieh. Nach Schluß des Konzertes beglückwünschten Bundespräsident Lübke und der Regierende Bürgermeister Willy Brand den Komponisten zu seinem großen Berliner Erfolg (Ende des Zitats)“.

Karl Böhm, 1977
 
Der Besuch von Igor Strawinsky in Berlin und die Wirkung seiner persönlichen Ausstrahlung hatten mich wie auch alle anderen Musiker des Orchesters sehr beeindruckt“.  

Karl Böhm und andere...

Soweit die Notizen von GWB zu diesem denkwürdigen Konzertabend 1964 in Berlin. Wann die anderen Zeichnungen entstanden sind, kann nicht genau nachvollzogen werden. Nur die Zeichnung von Karl Böhm läßt sich datieren. Die Widmung des Dirigenten stammt vom 23.02.1977


 
James Galway

         

 
Zubin Mehta


Carlo Maria Giulini



 
Gideon Kremer

 
 
Eugen Jochum

 
Yehudi Menhuin



Die Fotos der Zeichnungen fertigte Johannes Vesper an.
Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2009

Für die Erlaubnis danken wir der Familie Georg W. Borsches.

Redaktion: Frank Becker