Die große Zauberei

Kitty Hoff & Foret-Noire - "Zuhause"

von Frank Becker
Ist das erlaubt?

Kitty Hoff träufelt Honig in Dein Ohr. Elfmal in 50 Minuten nimmt sie Dich mit auf eine kleine gefühlvolle Reise. Ihre Stimme wird Dir zu dem mit Liebe umhüllten Zuhause, das sie im Titel des Albums beschwört. Dazwischen drei kleine instrumentale Intermezzi. Hardbop grüßt. Doch Kitty Hoff ist es, auf die man von Stück zu Stück sehnsüchtiger wartet. Dieser Umgang mit Wort und Musik ist auf geradezu gefährliche Art einschmeichelnd, eine sanfte Droge. Zart und spröde, weich und voller intimer Reize legt Kitty eine verführerische Spur. Folgst Du ihr, bist Du verloren.

Der Opener "Frau auf der Brücke" ist für mich ein déja vu, das mich tief berührt. Es mag 30 Jahre her sein, daß ich eines Nachts über eine solche hohe Brücke fuhr, auf der eine Frau eben das Geländer übersteigen wollte, um den fast 100 m tiefen letzten Schritt zu vollbringen. Sie ließ sich davon überzeugen es nicht zu tun, ließ das Geländer los und stieg schließlich ein. Bis zur Morgendämmerung fuhr ich mit ihr durch
unsere nächtliche Stadt, wir redeten - bis ich begriff, was einen Menschen dazu bringen kann, das Ende zu suchen. Schließlich ließ sie sich bei Freunden absetzen, die sie aufnahmen. Ich weiß nicht, wie sie hieß und was aus ihr wurde. Doch seither glaube ich zu verstehen, was Menschen an den Rand des Lebens drängt. Kitty Hoff hat sehr sensibel dieses Lied geschrieben, das alle hören sollten, die der Melancholie ausgeliefert sind und Hoffnung brauchen. Eine ganz besondere Form der Lebenshilfe. Allein dafür sollte man für das Album der Texterin, Komponistin und Sängerin dankbar sein.

Doch das ist nur eines von vielen ihrer gelungenen neuen deutschen Chansons - eine Disziplin, die glücklicherweise mehr und mehr Fuß fassen kann. "Sehr weit oben", "Riesenräder, "Ort im Grün" - Kitty Hoff hat die Träume und Gedanken vieler gelesen. Ihre Musik geht auch dank ihrer vorzüglichen dezenten Band unter die Haut und ins Gemüt, die Texte haben Qualität und was vordergründig so leicht serviert erscheint, ist von beachtlicher Tiefe. Wie heißt es im letzten Lied "Von Eintagsfliegen und Schmetterlingen" doch so treffend: "Denn niemals darfst du so tief sinken / Wie das Klischee im Glitzerkleid / Ja, während Eintagsfliegen winken, / läßt der Schmetterling sich Zeit". Vor ein paar Tagen habe ich im Garten einen Aurorafalter gesehen. Das gab Hoffnung. Und man gibt sich Kitty Hoff und dem Zauber eines Falters gerne verloren. Das ist erlaubt.
Beispielbild

Kitty Hoff & Forêt-Noire
Zuhause

Kitty Hoff - Gesang, singende Säge, Melodica
Phil Marone - Gitarren
Beat Lee Burns - Schlagzeug, Perc.
Moe Jaksch - Kontrabaß
MarQ Wenzel - Klavier, Orgel, Rhodes

Produziert von Philipp Kopp und Kitty Hoff

© 2009 Blue Note / EMI

Titel:
1. Frau auf der Brücke  
2. Papierkram  
3. Sehr weit oben  
4. Mahagoni  
5. Riesenräder  
6. Ort im Grün  
7. Pres de moi  
8. Unterwelten  
9. Pension Fuchs
10. Surprise
11. En planant - pres de moi
12. Weißer Anzug
13. Bad Mood
14. Von Eintagsfliegen und Schmetterlingen
 
Gesamtzeit:  50:17
 
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