Das Glück der großen Liebe

Kurt Tucholskys "Rheinsberg" und "Schloß Gripsholm"

von Frank Becker
Besonnter Lese- und Hörfrühling

Wenn einer heute von Kurt Tucholsky (1890-1935) spricht, meint er nicht zwangsläufig dessen köstliche Schaubühne-/Weltbühne- und andere Kolumnen unter dem eigenen Namen und als Peter Panter, Theobald Tiger, Kaspar Hauser, Paulus Bünzly, Old Shatterhand, Hugo Grotius, Theobald Körner oder Ignaz Wrobel. Auch das "Pyrenäenbuch" wird nicht an erster Stelle stehen, dann schon eher die Frage nach der Herkunft der Löcher im Käse, das einen Witz erzählende Ehepaar, die Spessart-Wanderung mit Karlchen und Jakopp oder die Geschichten vom Lottchen und vom Herrn Wendriner.

Was aber nach wie vor, nicht zuletzt durch die glücklicherweise ab und zu im Fernsehen vorgeführten grandiosen Verfilmungen in aller Munde ist, sind die beiden Eckpfeiler seines literarischen Ruhmes: zwei Romane, im Abstand von 19 Jahren erschienen, die das Luftigste, Charmanteste und in zarter Frivolität Erotischste darstellen, das die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts zu bieten hat. Wir sprechen von "Rheinsberg", mit dem Kurt Tucholsky
1912 literarisch großartig reüssierte und "Schloß Gripsholm", das 1931 vor den Verstummen des Dichters das Ende seines literarischen Schaffens markiert.

Wer diese beiden Erzählungen liest, bekommt die Chance, durch Mitfühlen zu erfahren, was zärtlicher Humor, große Menschenliebe, subtile Erotik und vor allem die Sehnsucht nach der Erfüllung des Herzens bedeuten. Hier hat ein zutiefst empfindsamer Mensch von sich selbst und seinen Gefühlen erzählt. Man sollte sich darauf einlassen. In diesem Frühjahr stellen wieder deutschsprachige Verlage Tucholskys Liebesgeschichten in neuen Ausgaben vor.

Da ist zum einen der Verlag Philipp Reclam mit einer hübschen, fest gebundenen Taschenausgabe von "Rheinsberg", die nachgerade dazu reizt, sie zum Schmökern an einem milden Frühlings-Nachmittag mit ins Grüne zu nehmen. Einige Anmerkungen und editorische Notizen sorgen für das Verständnis heute vielleicht nicht mehr selbstverständlicher Begriffe - und ein Nachwort Wiglaf Drostes erzählt einiges über den Dichter Tucholsky und seine menschlichen Obsessionen.

Der Diogenes Verlag, der analog zu seiner Taschenbuchausgabe nun ein gelungenes Hörbuch von "Schloß Gripsholm" aufgelegt hat, trifft damit ins Herz des Sommerurlaubers, der sich auf der Autofahrt in den Norden schon mal einstimmen möchte - oder macht dem "Selbstleser" das Vergnügen des Mithörens beim Lesen, was doppelter Genuß sein kann. Mir ging es in diesem Falle so, denn Heike Makatsch hat der vollständigen Lesung ihre angenehme Stimme mit dem gewissen Schuß Frechheit gegeben.

Was beiden Geschichten gleich und dem gefühlvollen Leser dabei so angenehm ist, erklären die Verse Theodor Storms, die das Begleitheft zur CD-Kassette zitiert:

"Wir können auch die Trompeten blasen
Und schmettern weithin durch das Land;
Doch schreiten wir lieber in Maientagen,
Wenn die Primeln blühn und die Drosseln schlagen,
Still sinnend an des Baches Rand."
Beispielbild


Kurt Tucholsky

Rheinsberg

Erzählung

© 2007 Philipp Reclam jun. Stuttgart

76 Seiten, gebunden mit farbig ill. Schutzumschlag
6,90 €

Weitere Informationen unter:
www.reclam.de


Beispielbild


Kurt Tucholsky

Schloß Gripsholm
Eine Sommergeschichte

Hörbuch - gelesen von Heike Makatsch

© + (P) 2007 Diogenes Verlag, Zürich

Ungekürzte Lesung auf 4 CDs, mit Begleitheft, 259 Minuten
24,90 €

Schloß Gripsholm
Eine Sommergeschichte
detebe 23518, 208 S.
Euro 7.90 / sFr 12.90

Weitere Informationen unter:
www.diogenes.ch