Same procedure

Die Wirtschaftskolumne

von Matthias Dohmen
Same procedure
 
Sie feixen schon wieder. Wenn, jedenfalls die vorsichtigeren unter ihnen, auch hinter vorgehaltener Hand. Die Investmentbanker, las man Sonntag in der FAS, lassen schon wieder die Korken knallen. O-Ton aus Manhattan: „Inzwischen überbieten sich die Firmen wieder mit ihren Gehältern, um die besseren Talente unter Vertrag nehmen zu können.“
 
Wie es gewesen ist bei unserer „systemrelevanten“ „Hypo Real Estate“, hat deren Ex-Risikocontroller Stéphane Wolter letzte Woche „Spiegel online“ verraten. Kapital, wußte Karl Marx, wird bei steigenden Profiterwartungen immer tollkühner.
 
Der HRE ging es gar nicht so schlecht, die Risiken waren überschaubar, alles war irgendwie im Lot. Ihr „massives Problem“ bestand darin, daß „viele Großaktionäre und institutionelle Anleger“ für ihr eingebrachtes Kapital eine unrealistisch hohe Rendite erwarteten, was mit dem „originären Geschäftsmodell“ und dessen „konservativem Risikoprofil“ nicht zu bewerkstelligen war. Also lachte man sich die irische Depfa an. Controller Wolter: Der ehemalige Bankenchef Funke „versprach Renditen von bis zu 30 Prozent bei der Depfa“, und „es gab sogar Investoren, die haben das geglaubt“.
 
Bei der HRE ging es in der Folge immer hektischer zu. Im Finanzdeutsch: „Es kam zu immer kürzeren Laufzeiten bei der Mittelaufnahme auf dem Geldmarkt, und es gab zunehmend Probleme, langfristige ungedeckte – also unbesicherte – Schuldverschreibungen abzusetzen.“
 
War das Verhängnis aufzuhalten? Wohl nicht. Indes wäre die Landung weniger hart gewesen, hätte man früher die Reißleine gezogen. Doch hat man den Aktionären lange Zeit Sand in die Augen gestreut und die Öffentlichkeit systematisch hinters Licht geführt: „Hätte sich die HRE früher in der Öffentlichkeit offenbart, dann wäre das Ende noch schneller gekommen.“
 
„Das“ Ende war es ja nicht, weil der Staat mit Barem und Bürgschaften aushalf. In den USA liegen die Leitzinsen seit Monaten bei nahezu null Prozent. Null zahlen die Finanzinstitute bei der Refinanzierung, etwas mehr nehmen sie beim Kunden. Vielleicht auch etwas sehr viel mehr. Man will ja leben.
 
Die Regierung unterwirft sich der Logik des „Systems“. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ zitiert die beiden Wallstreet-Kritiker Bill Cohan und Sandy Lewis: „Vor sechs Monaten glaubte niemand, unser Bankensystem sei funktionstüchtig. Warum investiert die Regierung so viel, um dieses Wrack zu reparieren?“
 
Weil es „systemrelevant“ ist. Ein 29 Jahre junger Investmentbanker (Quelle ist weiter die FAS) diktierte, beim Köpfen einer Champagnerflasche im Edelschuppen „Merkato 55“, dem Reporter der „New York Times“ folgenden Satz in den Block: „Wenn Sie mich im Oktober gefragt hätten, wäre ich nicht so guter Laune gewesen. Doch dann gab uns die Regierung zehn Milliarden Dollar.“ Wo hätten sie auch sonst herkommen können.