Internationaler Filmkongreß der Filmstiftung NRW

Unabhängig in den USA und in NRW

von Tanja Güß

Michael Schmidt-Ospach - Foto Heike Herbertz Filmstiftg. NRW
Internationaler Filmkongreß der Filmstiftung NRW:
Unabhängig in den USA und in NRW
 
Goldenes Zeitalter für europäische Koproduktionen /
Eröffnungspanel am 22. Juni in der Messe /
Keynote von Tom Tykwer 

   

„Nachdem wir bei den KinoSpecials Filme gesehen haben, wollen wir jetzt miteinander reden“, betonte Michael Schmid-Ospach, Geschäftsführer der Filmstiftung NRW am Montag, 22. Juni in seiner Eröffnungsrede zum Internationalen Filmkongress.  „2009 dürfte das beste Kinojahr seit Jahren werden, was die Besucherzahlen angeht“, prognostizierte Schmid-Ospach. „Die Krise schlägt im Kino nicht zu.“ Auch die Sender zeigten noch keine Krisen-Symptome. Allerdings könne selbst eine starke Länderförderung diese Entwicklung nur begleiten. „Die Branche muß die Prozesse selbst steuern. Wenn diese Kraft vorhanden ist, muß nicht lamoryant nach der Hilfe des Staates gerufen werden.“ Die Filmstiftung NRW unterstütze verschiedene Formen der Vernetzungen, die zur Stärkung der Branche beitrügen. So werden im Goethe-Institut in Los Angeles zehn deutsche Filme vorgestellt. „Das funktioniert auch in die andere Richtung, denn wir zeigen in Deutschland auch polnische Filme aus Kattowitz“, so der Filmstiftungs-Chef. „ Das Miteinander kann uns alle nur stärken.“
 
Die Definition, was es bedeutet, unanhängig zu produzieren, definierte der Autor, Regisseur und Produzent Tom Tykwer („Lola rennt, „Heaven“, „The International“) in seiner Keynote. „In den USA heißt independent, unabhängig von den Studiostrukturen der Majors zu arbeiten“, so Tykwer. In Deutschland bedeute Unanhängigkeit, weder den Quoten noch den Reißbrettproduzenten oder dem Formatgezeter ausgeliefert zu sein. Bei seinem ersten englischsprachigen Film „Heaven“, der 2001 als internationale Koproduktion entstanden ist, lernte Tykwer, was es bedeutet, mit einer unabhängigen Verleihfirma wie Miramax von Bob und Harvey Weinstein zusammenzuarbeiten. „Die Bürokratie hat sich verhundertfacht. Pro Stunde erhielt ich 80 Faxe. Oft stand darauf nur eine Zeile, dann folgte ein Anhang mit 16 Seiten. Diese tonnenschweren Dokumente waren reine

Tom Tykwer - Foto © Heike Herbertz Filmstiftung NRW
Geldvernichtung.“
 
Erleichtert wurde die Produktion, an der X Filme Creative Pool als deutscher Koproduzent beteiligt war dadurch, daß „Heaven“ im Windschatten von „Gangs of New York“ realisiert wurde. „Der Film spielt in Italien. Wir haben die Innenaufnahmen in Bottrop im Studio gedreht und durften sogar einige Landschaftsaufnahmen als toskanische Landschaft ausgeben. Kein Dreh war reibungsloser.“ Bei der Abnahme schlüpfte der Miramax-Chef Harvey Weinstein allerdings in die Rolle von „Joe Audience“ alias „Otto Normalverbraucher“ und gab vor, den Film nicht zu verstehen. „In den USA hat Miramax ‚Heaven’ wie eine heiße Kartoffel fallen lassen.“ Der Film sei dort nicht ins Kino gekommen, da Miramax seine Einnahmen bereits durch Presales verdoppeln konnte. In Deutschland hatte „Heaven“ hingegen eine halbe Million Kinozuschauer.
 
„In anderen Ländern ist es schwerer als bei uns, Filme zu drehen“, sagt Tykwer. In den USA sind viele Filmemacher dazu bereit, ihr letztes Hemd zu geben, um ihren  Film zu realisieren. Ich würde deutschen Regisseuren nicht raten, nach Amerika zu gehen.“ Zudem sei es deprimierend, eine andere Kultur zu imitieren. „Warum sollten wir das tun?“, fragt sich Tykwer. „In den USA gibt es bereits viele erfolgreiche Filmemacher.“ Erschwerend hinzu kommt, daß in den USA  ab einer gewissen Größenordnung die Gewerkschaftsauflagen bei der Spielfilmproduktion eingehalten werden müssen. „Als Regisseur darf ich den Komparsen dort keine direkten Anweisungen geben, weil sie dadurch zu Darstellern werden und das zehnfache Honorar verlangen können.“
 
„Für unabhängige Filmemacher ist es nicht einfach, Filme ab einer gewissen Größenordnung zu realisieren, die sie nicht mehr allein finanzieren können“, weiß Michelle Byrd, Geschäftsführerin des IFP (independent Feature Project) in New York, das dort die zentrale Anlaufstelle für unabhängige Filmemacher darstellt. „Es ist dennoch eine spannende Zeit für junge, aufstrebende Filmemacher, die sich neue Wege suchen, um ein Publikum zu finden.“ Das größte Problem für die unabhängigen Filmemacher sei nicht die Finanzierung, sondern die Auswertung“, versichert der in Los Angeles ansässige Produzent Ehud Bleiberg, der mit seiner Firma Bleiberg Entertainment internationale Erfolge wie „The Band’s Visit“ oder „Ein Leben für ein Leben - Adam Resurrected“ produziert hat. „Im Vergleich zu den USA sind die Verhältnisse für Produzenten in Deutschland geradezu himmlisch“, so Bleiberg. „Wenn ein Film als eine Koproduktion realisiert wird, an der fünf Länder beteiligt sind, kann mit Hilfe der Förderung 80 % des Budgets abgedeckt werden.“


Scott Roxborough, Tom Tykwer, Michelle Byrd, Peter Herrmann, Ehud Bleiberg, Verena Lueken
Foto © Heike Herbertz Filmstiftung NRW

Sein Glück in Amerika versucht hat auch Peter Herrmann, Produzent des oscarprämierten Films „Nirgendwo in Afrika“.  Für sein Filmprojekt „Wüstenblume“ hielt er beim IFP-Koproduktionsmarkt „No Borders“ in New York nach potenziellen Partnern Ausschau. „Wir wollen den Film gerne auf englisch drehen“, berichtet Herrmann, „doch unser Budget war zu hoch, um mit einer unerfahrenen Schauspielerin zu arbeiten. Deshalb haben wir in den USA kein Geld bekommen.“ Realisiert wurde die Bestsellerverfilmung „Wüstenblume“ über ein Nomadenmädchen, das zum Top-Model wurde, am Endeffekt überwiegend mit deutschen Geldern. „Die Verleiher in den USA warten zunächst ab, ob ein Film in Deutschland erfolgreich ist.“
 
„Deutsche Filme sind gut“, versichert Verena Lueken, stellvertretende Feuilleton-Leiterin bei der FAZ, „wenn deutlich zu spüren ist, daß sie deutsch sind wie ‚Lola rennt’, „’Goodbye, Lenin!’ oder „Jerichow’. Diese Filme besitzen einen ganz anderen Rhythmus als amerikanische Filme und entführen uns an Schauplätze, die wir noch nicht kennen.“ Manchmal bedeute Kultur aber auch, nicht nur eine Sprache zu sprechen, sagte Bleiberg mit Verweis auf Filmprojekte wie „The Band’s Visit“ oder die internationale Koproduktion „Kirot“. „Eine Geschichte kann in Deutschland spielen, aber trotzdem ein internationaler Film sein.“ Für ratsam hält es Bleiberg, Weltvertriebe nach ihrer Einschätzung zu fragen, ob ein Film ein gewisses Marktpotenzial besitze. „Es ist wichtig, einen Weltvertrieb zu haben, der an den Film glaubt.“
 
Generell werde es jedoch immer schwieriger, Filme bereits vorab auf Drehbuchbasis zu verkaufen. „Bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes hat sich abgezeichnet, daß der Markt für Presales fast verschwunden ist“, bestätigt Tykwer. „Deshalb werden Koproduktionen als Geschäftsmodell immer wichtiger.“ Doch auch ein Deutschland sei kein Biotop, wo das Geld für die Filmemacher vom Himmel regne, sondern es werde immer um Stoffe, Geld und Effekte gerungen. „Filme mit einem Budget von über vier Millionen Euro sind ohne internationale Beteiligung schwer zu finanzieren. „Für internationale Koproduktionen, an den europäische Partner beteiligt sind“, resümierte der Moderator Scott Roxborough, Deutschland-Korrespondent beim Hollywood Reporter, „bricht jetzt ein goldenes Zeitalter an.“ 
 
Der Internationale Filmkongress wird im Rahmen des medienforum.nrw veranstaltet.