Hans Bender zum 90. Geburtstag
Eine Essenz in Vierzeilern "Warum nur tut er sich das nur an?"
Als er aus Krieg und Gefangenschaft zurückgekehrt war, debütierte Hans Bender mit einem Lyrik -und einem Prosaband. Zwei Romane folgten. Doch dann gründete er 1954 zusammen mit Walter Höllerer „Akzente“, machte die Zeitschrift zum bedeutendsten westdeutschen Forum für Literatur. Er selbst wurde zur tragenden Säule des Literaturbetriebs, dem viele Schriftsteller ihre Karriere verdanken, während er das eigene Werk vernachlässigte. Der Dichter Hans Bender wurde vor allem zum Leser. Doch nun zu seinem 90. Geburtstag: „Wie es kommen wird“, ein Band mit siebzig Vierzeilern aus diesem Jahrzehnt. Sie sind nicht Resumé eines Lebens für die Literatur, geben aber in der extrem verknappten lyrischen Form Auskunft über den Dichter. Denn ob in Prosa oder Lyrik - Bender schreibt nur, was sich vor seinen Augen abspielt und in ihnen spiegelt. „Die Nachbarn verbergen sich/
Aber die Wolken über den Dächern,
Im Garten die Bäume, die Vögel
Lassen mich teilnehmen am Leben.“
In seinem ersten Roman von 1954
„Eine Sache wie die Liebe“ meinte Bender, hätte er eine Weltanschauung zu verkünden, dann wäre es eine der Zärtlichkeit, eine gegenüber den Menschen, den Bäumen und vor allem den Vögeln. Literatur selbst ist für ihn schon Zärtlichkeit, denn sie streichelt mit Worten das Gesehene. Sie schlägt auch den heiteren Grundton dieser Kurzgedichte an, in den sich zugleich das Moll der Melancholie eines zu Ende gehenden Lebens mischt.
„Abschiede lassen sich/
nicht erlernen. /
Der allerschwerste/
steht nun bevor.“
Woher aber diese Weltanschauung der Zärtlichkeit? Geboren ist sie in den Schrecken des Kriegs, die Bender beim Rußlandfeldzug mit eigenen Augen und am eigenen Körper erfahren hat. Vielfach hat er in seinen Erzählungen, die mittlerweile Schullektüre sind, von ihnen berichtet, in „Jurkas Jahre“, in „Die Wölfe kommen zurück“ oder in dem Roman „Wunschkost“, der vom Lazaretttod eines Freundes erzählt.
Es sind Geschichten einer Generation in einer ausgeträumten Welt, einer Jugend, die nur zu gehorchen und zu sterben hatte und die meinte, nach alledem müßte eine neue Weltanschauung eine Wiederkehr des Schreckens verhindern.
Doch Literatur ist nur Literatur. Nur? Für Bender jedenfalls ist sie essential. Sie verleihe ein Leben in eigener Verantwortung, schaffe Vertrautheit, gebe Gewißheit in der Welt.
„Vertraute Wörter, Rhythmen, Reime/
vier Zeilen, leicht zu verstehen./
Schön, meine Freundinnen und Freunde/
bei der Lektüre lächeln zu sehen.“
„Meine Vierzeiler“ nennt Hans Bender die Kurzgedichte, die an japanische Haiku-Dichtung denken lassen. Sie sind Ertrag einer Kontemplation, einer Umarmung des Naheliegenden, daher leicht zu verstehen, nachzuvollziehen, Gedichte, die sich der Hermetik verweigern, der Bender immer mit Skepsis begegnet ist.
„Was mein Gedicht mir bedeutet?
Fragt nicht mich, fragt den Apfelbaum,
warum er Früchte trägt.
Noch besser, beißt hinein!“
Kommt einer wie Hans Bender nun in sein 91. Jahr, ist er einer der letzten seiner Generation, ein Übriggebliebener, ein Einsamer, was schon Goethe im Alter bedauert hat. Was bleibt? Das Gedicht „Wie es kommen wird“ antwortet:
„Bei mir behalten? Oder weitersagen?
Du wirst alt sein
Und wie Hiob klagen.“
Und es bleibt: Lesen, vor allem aber Schreiben. Schon seine Mutter hatte es dem Kind Hans Bender gesagt: Wer schreibt, der bleibt.
Hans Bender: Wie es kommen wird – Meine Vierzeiler
Edition Akzente im Carl Hanser Verlag München
76 Seiten – 12,90 €
Weitere Informationen unter: www.hanser.de Der Beitrag von © Jörg Aufenanger ist zuvor in der Berliner Zeitung erschienen
und wurde zum 90. Geburtstag Hans Benders am 1.7.2009 von WDR 3 gesendet. |