Städte

"Schau gen Horizont und lausche" - eine Anthologie des asphalt & anders Verlags "ueber Staedte"

von Frank Becker
Juwelen junger Literatur
über Städte


Hätte ich das Buch nicht ohnehin aufgrund der Verlagswerbung lesen wollen und wäre es mir en passant in einer Buchhandlung begegnet - schon die hervorragende Umschlaggestaltung von Monika Bendel wäre Grund genug gewesen, interessiert zuzugreifen. Das ausdrucksstarke Foto auf dem Buchdeckel macht neugierig, erinnert es doch an die heißen Tage der viele Jahre zurück liegenden Sommer, in denen meine Generation auf der Suche nach dem wahren Leben das Pflaster der Großstädte getreten und die einsame Melancholie der Steinwüsten wie bittersüßen Nektar geschlürft hat.

Zwischen den beiden flexiblen Buchdeckeln steckt ein wahrer Schatz aus Juwelen aktueller Großstadtliteratur. Da hätte es gar nicht der Erwähnung von Selim Özdogan, Ulrike Draesner und Martin Beyer bedurft, um zu renommieren. In appetitlichen, anregenden Portionen erzählen 23 Autoren in 23 literarischen Vignetten von Rang "ueber Staedte". Die im Buch nicht genannten Herausgeber des asphalt & anders Verlages haben bei der Auswahl und Zusammenstellung der Beiträge glückliche Hand und feines Gespür bewiesen - Lyrik (wenig, sehr wenig Lyrik) und Prosa, Reise-Impressionen, Alltags-Spiegelungen, Road-Poetry. Früher schrieb man über New York, wenn man den Moloch Stadt meinte, heute sind andere aufgerückt - ja, gut, New York ist immer noch dabei, in Ron Winklers atemloser Momentaufnahme "Weil es New York ist". Oder in der hinreißenden Erzählung "Bickfords Cafe", mit der Hartmuth Malorny auf Augenhöhe mit Dorothy Parker, Charles Bukowsky und O. Henry in deren deren Fußstapfen tritt. Hier übrigens irrt der Klappentext, wenn er von Literatur über die "Stadt des 21. Jahrhunderts" spricht. Malorny geht ein halbes Jahrhundert zurück, in ein New York, das es so nicht mehr gibt.

Andere Städte sind wie gesagt aufgerückt. Matto Kaempf erzählt vom chaotischen Delhi und der heiligen Stadt Varanasi, und Ulrike Draesner entführt uns ebenfalls ins noch immer geheimnisvolle Indien - Traum/Alptraum Calcutta; "Hey man, calm down!". Der indische Subkontinent hat auch Claudia Mack gerufen. Sie ist dem Ruf gefolgt und hat Dhaka/Bangladesh gefunden; ein eindrucksvolles Tagebuch. Nora Eugenie Gomringer war in Rußland. Moskau vielleicht, vielleicht Novosibirsk. Ihre Gratwanderung auf der dünnen Linie zwischen Prosa und Lyrik ist gekonnt. Wie alles, was man von ihr kennt. Selim Özdogans Erzählung "Laternenlicht" berührt. Man liest sich gleich noch einmal, genauso wie die meisten anderen Beiträge zu dieser fesselnden Anthologie, Achim Wagners "Zweiunddreissig...", Toby Hoffmanns "Die kleine Stadt", Cornelia Travniceks Beijinger Erinnerungen "Il Mio Mia...". Eine literarische Weltreise. Eine Empfehlung.


"Schau gen Horizont und lausche"
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herausgegeben von Stefan Mayr und Nico Schröder - © 2009 asphalt & anders Verlag, 160 Seiten, Paperback
11,90 € [D], 12,30 € [A], 21,00 CHF (Schweiz: unverb. Preisempfehlung) - ISBN: 978-3-941639-01-0

Die Beiträge
stammen von PEH, Martin Beyer, Selim Özdogan, Xochil A. Schütz, Hartmuth Malorny, Cornelia Travnicek, Matto Kämpf, Pauline Füg und Tobias Heyel, Stefan Petermann, Wolf Hohekamp, Ulrike Draesner, Achim Wagner, Nora Eugenie Gomringer, Christoph Simon, Toby Hoffmann, Christine Sterly-Paulsen, Ron Winkler, Steffen Roye, Claudia Mack, Alicja Wendt, Urs Mannhart, Andre Schinkel, Tilman Rau.


Weitere Informationen unter:
www.asphalt-anders.de