Musikstunde

Eine Plauderei über die Sangesfreude

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Musikstunde

Gaismas Pils


Guten Tag, liebe Leser, nachdem Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier mit "Tristan und Isolde" ihre Ära als Chefinnen auf dem Grünen Hügel recht anständig und wieder mal mit jedem, der sich in dieser unserer Republik für wichtig hält, eingeläutet haben, will ich zum Thema heute mal nix weiter sagen. Obwohl: mit Gesang haben wir es heute auch zu tun. Ich schmettere Ihnen also das Motto meiner heutigen kleinen musikalischen Plauderei entgegen: Singe, wem Gesang gegeben!

Und da kommt jetzt auch gleich der Hammer: der Balte. Das heißt, ein Teil der Balten, nämlich die Letten. Wenn also der lettische Balte da oben im Norden es sich etwas jemietlich macht, dann fängt er an zu singen. Nun ist das nichts Neies, aber beim lettischen Balten kommt dazu, daß er nicht aufhört zu singen. Er singt sein janzes Leben lang, er singt morjens und er singt abends, er singt wenn er allein ist und er singt erst recht, wenn er zu mehreren ist, er singt im Haus und er singt im Freien und er singt nicht etwa irjendein amerikanisches Jedudels, nein, er singt eijene Lieder, baltisch lettische Volkslieder und die heißen Dainas. Und am meisten singt er, wenn er zusammenkommt um zu singen – was sich die Letten natürlich singenderweise mitjeteilt haben, daß man sich am dreiundzwanzigsten Aujust sajen wir mal in Kaunas jleich hinter der Kirche oder besser: in Riga auf der Mezaparkbühne trifft und dann sollen die besten der besten Chöre jejenainander singen und zwar ausschließlich Dainas, weil das die Seele des lettischen Balten ist.
 
Und das tun sie nun, die lettischen Balten und zwar mit einer Begeisterung die weltweit einmalig ist. Es singt wirklich jeder: oben auf der Bühne singen diejenigen, was sich qualifiziert haben und weil die da oben so schön singen singen die unten auch jleich mit. Seit 1873 feiern die Letten alle fünf Jahre ihr großes Nationales Sängerfest und dajejen ist die Olympiade nix, deshalb haben die Letten die Spiele in Peking erst gar nicht abjewartet sondern jleich jesungen. 1990 ist Lettland unabhängig jeworden und da haben 36.000 Sänger sich zusamenjefunden, spontan und in aller Eile, und haben die Daina „Gaismas Pils“ jesungen, die heimliche Nationalhymne der Letten. Und jewaint haben sie auch alle. Und wie ich das jelesen habe, hätte ich am liebsten alle Letten umarmt, so schön ist das. Wie jesagt: kein Volk singt so viel wie die Letten und es geht ihnen gut dabei. Und es kommen immer mehr Auslandsletten zurück nach Lettland, auch wenn es da vielleicht nicht an jeder Ecke ein Straßencafé gibt wie in Baden oder in der italienischen Schweiz. Sie kommen zurück, weil sie endlich wieder mit anderen Letten zusammen singen wollen, weil: wer einmal mit anderen Menschen schön Musik gemacht hat, kann sein ganzes Leben nicht mehr darauf verzichten. So ist das.
 
Ihnen, liebe Musenblätter-Leser, wünsche ich zu jeder Zeit, wengstens aber heute en fröhlich Lied auf den Lippen – schönen Tach noch!
 
Ihr
Konrad Beikircher


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009
Redaktion: Frank Becker