50 Jahre BRAVO - Kultur-Zeitgeschichte kompakt

Herausgegeben vom Archiv der Jugendkulturen e.V.

von Frank Becker
Kultur-Zeitgeschichte kompakt

Die Jugendzeitschrift BRAVO feierte im vergangenen Jahr ihr 50-jähriges Bestehen – das deutsche Jugend-Magazin, das in den Jahrzehnten sein Gesicht dem jeweils vorherrschenden Pop-Geschmack angepaßt hat. Einige Publikationen, wie u.a. der Nikma-Musikzeitschriften-Katalog mit mustergültigen Auflistungen der Cover durch die Jahre, nahmen sich des Themas an. Eine umfangreiche, unterhaltsame und reich bebilderte – ist bei diesem Thema doch die Hauptsache! – Studie zu „50 Jahre BRAVO“ legte 2006, jetzt schon in zweiter Auflage, das Archiv der Jugendkulturen e.V. zusammen mit dem Verlag Thomas Tilsner vor.

Der opulente großformatige Band erzählt die ganze Geschichte der BRAVO, untersucht das muffige und verklemmte soziale Gefüge, in dem diese erste nur für Jugendliche gemachte Zeitschrift die informelle (und kommerzielle) Lücke entdeckt hatte und mit fulminantem Erfolg ausfüllte. Das hatte zuvor die brave „Rasselbande“ im Westen nicht leisten können und die FDJ-Zeitschrift „Junge Welt“ konnte das im Osten Deutschlands auch nicht leisten. 

Fundierte und gut recherchierte Artikel eines ganz offensichtlich bestens informierten und von der Idee begeisterten Redaktions-Teams berichten erschöpfend über die Emanzipation der Jugend in den 50ern, an der BRAVO nicht ganz unbeteiligt war, über Winnetou und die dreifache Auflage des Pierre Brice-Starschnitts und die Beatles, die wie ein Tsunami über Deutschlands Schlagerkultur der 60er hereinbrachen. Natürlich gehören auch die "Aufreger" der 70er und 80er Jahre dazu, als die BRAVO die Rolle des öffentlichen Sexualaufklärers übernahm. Mädchenbusen, Fragen nach Sex und Verhütung, die Briefkasten-Kolumne von „Dr. Sommer“, Baby-Strich, Drogen-Problematik, Punk, immer mehr nackte Haut und Artikel wie "So wirst du reif für die Liebe" brachten Eltern auf die Palme und ratlose Jugendliche nicht wirklich ein großes Stück weiter. Aber BRAVO wurde gekauft und war auf die eine oder andere Weise immerhin doch verdienstvoll. Heute: Nostalgie.

Apropos Starschnitt: diese geniale Marketing-Idee zwang Jugendliche damals Heft um Heft zu kaufen, um Winnetou, Roy Black und die Beatles, Peter Kraus, Elvis und Brigitte Bardot Stück für Stück an die Jugendzimmerwand zu pappen, bis sie lebensgroß anwesend waren. Später waren es Sweet, Nena, und Uschi Glas, dann Sexbomben wie Christina Aguilera und schließlich Dumpfbacken wie die Kinder-Band Tokio Hotel, Gurkenkönig Daniel Küblböck, und den Widerling Eminem, der sich ans Gemächt greift und den Stinkefinger zeigt - armselig. Sic transit gloria mundi. Alles ungeschminkt in dem wunderbaren Buch zu sehen, das natürlich noch viel mehr präsentiert: Marktuntersuchungen und Vergleiche mit anderen Pop-Zeitschriften, Auflagen-Statistiken, die belegen, daß die Leserzahl seit 1996 stetig abnimmt und heute mit etwas mehr als 500.000 beinahe nur noch ein Drittel der besten Zeiten mit fast 1.500.000 (1979) beträgt. Alle Otto-Gewinner sind aufgelistet und man hat mal durchgezählt, wer die meisten Titelbilder hatte: Britney Spears führt die Liste (Stand Dezember 2006) mit 55 Titeln an! Die Rolling Stones hatten nur 12, James Dean immerhin 22 und sogar die Beatles liegen mit 45 nur an Platz 3. Ein bunter Bilder-Reigen, der viel über die Jugendkultur erzählt.So auch das Buch „50 Jahre BRAVO“, das in keiner gut sortierten Sammlung fehlen sollte.
 

Beispielbild


50 Jahre BRAVO
Hrsg. Archiv der Jugendkulturen e.V.

© 2006 Archiv der Jugendkulturen Verlag KG, Berlin / Verlag Thomas Tilsner
Großfomat 21,5 x 28 cm, flexibel gebunden, 325 Seiten mit Registern, Liosten und Literaturhinweisen
€ 28,-

Weitere Informationen unter: