Plauderstunde

Über Bücher und Politik

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker

Konrad Beikircher
Plauderstunde

Über Bücher und Politik



Wie oft ist eigentlich das Buch schon totgesagt worden? Das erste Mal wahrscheinlich, als man von den Keilschrift-Schiefertäfelchen auf die Papyrusrollen gewechselt hat. Sicherlich wurde da schon gemeckert (Hans Moserisch): „Dös soll was sein? Papyrus? Geh hörnS´ auf, dös Zeug zerfallt ja schon beim bloßen Anschauen, net wahr, da lob ich mir doch die solide Schiefertafel, net wahr, des is noch was für die Ewigkeit, des rostet net, des zerbröselt net, des lager ich im Garten neben dem Kaminholz, net, do hab i dann meinen Hammurabi stehn und mein Nebukadnezar, des is was! Aber do net a so a Papyrusrolln, wo man net waaß, ob des zum Lesn oder fürs Klo sein soll...“ . Und dann natürlich als der Buchdruck kam, war doch der Anblick einer Bibel aus Mainz, die man zu Tausenden drucken konnte und jedes Exemplar sah gleich aus, zum Erbarmen war gegen die schönen Handschriften mit Inkunabeln und Bildern in den Anfangsbuchstaben, DAS waren noch Bücher! Und jetzt natürlich auch wieder: e-book! Das wäre es ja dann: du hast nicht mehr Papier in der Hand, du riechst und schmeckst nichts mehr. Ist Ihnen das mal aufgefallen: Bücher riechen! Bücher schmecken! Rororo schmeckt anders als der wissenschaftliche Springer Verlag und Kiepenheuer und Witsch vollkommen anders als Bastei-Lübbe und das hat nicht nur mit dem Holzgehalt des Papiers zu tun sondern auch mit dem Inhalt. Feuchtgebiete! Ph! Schon auf der Zunge ekelhaft, da brauch ich doch gar nichts mehr zu lesen! Das alles ist beim e-book weg: du hast ein cleanes Kästchen in der Hand, in Zukunft wahrscheinlich so groß wie eine Ansichtskarte (diesen Vergleich müssen wir in ein paar Jahren wahrscheinlich schon erklären weil dann keiner mehr wissen wird, was das ist: eine Ansichtskarte) und auf einen Hauch gibt das e-book wieder, was du dir wünschst: je nach Atem die Kritik der reinen Vernunft oder eben, na ja, die Feuchtgebiete! Kinder, verzweifelt doch nicht: das Gejammere ob der Zeiten, die vorbei seien, ist so alt wie die Menschheit und war doch immer auch ein bißchen daneben: Bücher werden bleiben, weil sie konkurrenzlos schöner sind als jedes e-book sein kann. Ich werde dann das Statistische Jahrbuch, das ich immer mal wieder brauche, als e-book haben, aber meinen Lessing oder Jean Paul schön auf wundervollem Papier zum Blättern, nicht zum Scrollen, zwischen zwei Buchdeckeln!
 
Vielleicht passen sie besser zusammen, als es ihnen klar ist: Oskar Lafontaine und Peter Sodann. Der eine war mal Minister und hat den ganzen Bettel ohne Hinterlassen einer Nachsendeadresse hingeschmissen, der andere hat mal für die PDS kandidiert, aber nur zwei Tage lang und dann kam der Rückzieher. Auch als der Kandidat der Linken für die Wahl des Bundespräsidenten hat sich Peter Sodann vor den kommunistischen Karren spanne lassen und gleich katapultierte er sich in die Herzen der Bierzelte, indem er vorschlug, die Nationalhymne zugunsten der 1949 geschriebenen Kinderhymne von Bertolt Brecht abzuschaffen, und die beginnt so:
 
Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand
Daß ein gutes Deutschland blühe
Wie ein andres gutes Land...
 
Ein schönes Gedicht, zweifellos, und ein wahres obendrein. Aber jede bessere Fußballmannschaft und ihre Fans streikt doch schon bloß beim Gedanken daran, dieses Gedicht auf dem Rasen singen zu sollen. Nee, Herr Sodann, eine schöne Idee, aber so was von im falschen Moment! Diese Idee ist so gut wie die, Sie als Kandidaten vorzuschlagen und Sie fallen auf dieses durchsichtige Spielchen der Linken noch rein: bleiben Sie bei der Kandidatur, wird Gesine Schwan keine Aussicht auf Erfolg haben und wir werden beim Präsidenten Köhler bleiben. Ist es wirklich das, was Oskar der Gerissene will? Naja, vielleicht ist Herr Köhler als ehemaliger Präsident des Sparkassen- und GiroVerbands eh die bessere Lösung als ein Schwan – obwohl ich meine, und zwar ernst, daß es an der Zeit für eine Präsidentin wäre. Sooo schlechte Erfahrungen mit Frauen haben wir in letzter Zeit ja nun nicht gemacht, oder?
 
Am 27. September wird der 17. Deutsche Bundestag gewählt. Gehen Sie hin, sonst gewinnen die Falschen!
 
Ihr
Konrad Beikircher


© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2009
Redaktion: Frank Becker