Grabkultur in Deutschland

Geschichte der Grabmäler - Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal

von Robert Sernatini
"Das Grab ist tief und stille und schauderhaft sein Rand."
(Johann Gaudenz Frhr. von Salis-Seewis)



Mit den Toten leben

Wir ehren unsere Toten, indem wir sie würdig bestatten. Das taten schon neolithische Völkern am Beginn aller Kulturen. Die Begräbnisrituale und Totenfeiern erreichten mit den Pyramiden Höhepunkte in der ägyptischen Frühgeschichte und mit den Ming-Gräbern und der Grabanlage für Qín Shǐhuángdì. Daß wir in Mitteleuropa bis heute den Friedhofsanlagen besondere Aufmerksamkeit schenken, geht auf die Ahnenverehrung der vorchristlichen Zeit zurück, sind die Gräberfelder heute auch überwiegend konfessionell besetzt. Auf viele Menschen üben Friedhöfe eine beinahe magische Anziehungskraft aus. Ist es das Faszinosum des Todes, dieser unerhörten Macht, der sich alle beugen müssen? Ist es das Gefühl innerhalb der Mauern einer Nekropole den Atem der Ewigkeit zu spüren? Oder stillt die Ruhe an diesem friedvollen, vom Lärm abgewandten Ort ein brennendes Bedürfnis des vom Alltag Gehetzten? Es ist auch und vielleicht besonders ein Winkel der Selbstbesinnung, der Erkenntnis der Vanitas, ein Platz zum Gespräch mit sich selbst und mit den Toten.
 
Das Buch „Grabkultur in Deutschland“ der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal/Museum für Sepulkralkultur, Kassel widmet sich in 20 hochinteressanten Kapiteln speziell dem deutschen Aspekt der Friedhofskultur in den vergangenen zwei Jahrhunderten, also von 1800 bis heute. Nach fundierter Recherche von elf Autoren und Autorinnen wird das Thema, mit umfangreichem Bildmaterial illustriert, erschöpfend beleuchtet. Es ist natürlich ein Fachbuch, doch die Artikel sind so allgemeinverständlich verfaßt, daß es fesselnde Lektüre auch für den Laien ist, der sich von der Würde und Atmosphäre eines Friedhofs zu tieferen Reflexionen anregen läßt.
Die Bestattungskultur wandelt sich. Anonyme Urnenbegräbnisse, Friedwälder oder wir zu DDR-Zeiten einheitliche Grabfelder lösen oft das klassische Bild des Friedhofs ab. Friedhofsordnungen haben in Deutschland schon immer die Möglichkeiten einer gänzlich individuellen Grabstätte eingeschränkt, besonders in Diktaturen wie dem 3. Reich und der DDR schlug sich das nieder. Auch der Zeitgeschmack hat stets mitbestimmt, was „geht“ und was nicht. Sorgfältig zusammengetragene Bildbeispiele aus zwei Jahrhunderten legen davon Zeugnis ab. Ein historischer Abriß von Reiner Sörries führt in die Thematik des „gekennzeichneten Grabes“ ein. Denn nicht immer war es üblich, Gräber namentlich zu bezeichnen – und wie oben erwähnt, ist auch heute eine Wendung dahin zu beobachten.
 
Andere Beiträge beschäftigen sich u.a. mit der „Grabmalkultur und Gartenkunst um 1800“ (Sascha Winter), dem „figürlichen Grabmal vom Barock bis zum Zweiten Weltkrieg“ (Sylvina Zander), einer heute selten gewordenen Kunst, „Reformgrabmalen des frühen 20. Jahrhunderts“ (Helmut Schoenfeld), „Grabmalgestaltung in der DDR“ (Barbara Happe), „Inschriften und Symbolen auf Grabzeichen“ (Reiner Sörries), „Grabzeichen für Soldaten“ (Helmut Schoenfeld), „Grabmalen für Kinder“ (Barbara Leisner) und über „Vorlagen für Grabmale – Muster- und Vorlagenbücher seit dem 19. Jahrhundert“ (Gerhard Seib). Das Buch schließt mit einem wertvollen Literaturverzeichnis und einem Ortsregister.
 
„Grabkultur in Deutschland“ – Geschichte der Grabmäler
© 2009 Reimer Verlag, 424 Seiten mit 11 Farb- u. 120 s/w-Abbildungen, gebunden, Fadenheftung, Register - ISBN 978-3-496-02824-6
39,00 € [D] | 66,00 Sfr. [CH]

Weitere Informationen unter: www.reimer-verlag.de