Anhaltisches Theater Dessau
Lohengrin
Der von vielen herbeigesehnte, von vielen befürchtete Führungswechsel in Dessau blieb ohne große Folgen. Ja, es weht ein neuer Wind, aber die Qualität der Inszenierungen und die musikalische Leistung blieben auf dem gleichen hohen Niveau. Dies ist mein Eindruck nach Andrea Moses’ klug durchdachtem und von Antony Hermus außergewöhnlich transparent geführtem Lohengrin am 22. November. Don´t cry for me Brabant
Zusammen mit Andrea Moses befreite Hermus den Lohengrin von seiner romantischen Last -
Elsa als zentrale Figur
Bettine Kampp ist eine psychisch labile Elsa, durch jahrelange Gefangenschaft tablettenabhängig. Sie erkennt, wenn sie sich retten will, muß sie diesen Lohengrin heiraten, egal unter welchen Bedingungen. Spätestens aber seit der Fragestellung im Brautgemach beginnt ihre Emanzipation, und am Ende der Oper sieht sie als einzige das Unheil mit klaren Augen. Frau Kampps warmes Timbre und die klare Textverständlichkeit lassen diese Elsa auch musikalisch zu einem Hochgenuß werden. Die Gegenspieler, Ortrud und Telramund (hinter jedem erfolgreichen Mann steht ein ehrgeizige Frau), Iordanka Derilova und Ulf Paulsen, sind wie erwartet einfach sensationell. Die schauspielerische Leistung der beiden steht der gesanglichen in nichts nach. Ulf Paulsen, eher lyrischer Bariton, hat Möglichkeit zu schon fast brutalen Ausbrüchen, Derilovas glockenklarer Sopran, der Rolle angepaßt, eiskalt und wunderbar verständlich (zum ersten Mal, nach vielen, vielen Lohengrinen habe ich verstanden, was Ortrud bei der Anrufung der alten Götter singt). Zeitlos hochpolitisch
Andrea Moses gelingt in der Ausstattung von Christian Wiehle ein zeitloses hochpolitisches Werk. Die Verführung des Volkes, die Abhängigkeit durch Lobbyisten und politische Willkür waren und sind immer tagesaktuell. Boshaft könnte man auch sagen: Nach der Wahl ist vor der Wahl. In ihrem Schlußbild erscheint auf Heinrichs Befehl eine weitere Marionette, Gottfried, schnell zu rechtgeschustert mit Kindermaske. Während das Volk nun wie paralysiert gen Osten marschiert, steht eine geistig nun völlig klare Elsa am Rand, die alle Avancen von Heinrich und dem Heerrufer ablehnt.
Klug durchleuchtet
Der Abend dieser klug durchleuchteten, romantikfreien Inszenierung endete unter einhelligem Jubel für Sänger und Orchester. Das Anhaltische Theater lud im Anschluß an die Aufführung zu einer Diskussion ein. Rege Beteiligung des Publikums führte zur Auseinandersetzung mit dem Abend für beide Seiten. Regie, Dirigent und Sänger stellten sich den Fragen der Zuschauer. Kontroverse Auffassungen prallten aufeinander, blieben aber an diesem Abend von Seiten der Wagnerianer (noch) sachlich. |