Einsilbig
Aktion gegen lange Sätze
Jemand, dem es die Sprache verschlagen hat, der den Mund nicht aufkriegt, der auch schon mal in Gedanken ist und nur einen kurzen Satz zustande bringt, ist einsilbig.
Nach Stefan Raab, der mit einem einsilbigen Lied hoch im Kurs stand, kann dieser Zustand noch überboten werden. Überall in der Stadt startete eine der meist gekauften Zeitungen Deutschlands auf Plakaten an Bushaltestellen und Kreuzungen eine Aktion gegen lange Sätze. Diese mußten nicht gesprochen werden, nein, es genügte, sie mit dem Handy per SMS zu verschicken. Wa ma du heu? – Li du mi no? – Ha du lu au ei bi? - lehrte die Aktion groß in Computerschrift.
An die Computerschrift habe ich mich schon lange gewöhnt, an die Verstümmelung unserer Sprache aber noch nicht. Auf die Fragen, ob ich dich noch liebe oder Lust auf ein Bier hätte, kann ich mit einem einsilbigen ja oder nein antworten. Bei der Frage, was ich heute mache, wird es schon komplizierter. Ich könnte natürlich schnell mit einem einsilbigen nichts antworten. Aber ich kann doch nichts vorhaben, dann wäre ich ein blamierter Langweiler. Ich muß also überlegen, wie ich meine tollen Unternehmungen in einen lautmalerischen Zweibuchstaben-Rhythmus verpacke, die jedes intelligente Wesen sofort versteht, ansonsten riskiere ich, daß mir jemand schreibt: Du bi do do! Und wer liest schon gerne, daß er doof ist.
© Friederike Zelesko - Erstveröffentlichung in den Musenblättern 2010
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