Gossec läßt nach

Max Bronski - "Nackige Engel"

von Frank Becker
Potential nicht ausgeschöpft

Ein im Weißbier-Suff angezettelter öffentlicher Auftritt als Hitler- Kopie bringt Wilhelm Gossec, den eigentlich friedfertigen Münchner Trödler mit Detektivambitionen in eine gefährliche Situation, die sich nach und nach zu einem Kriminalfall voller höchst unangenehmer Überraschungen ausweitet. Nach einem halben Kasten Gerstensaft will er seinem Freund Julius beweisen, daß auch heute noch die Menschen hinter dem Nazi-Gespenst herlaufen würden. Mit Offiziersmütze, Militärmantel
und Edding- Bart stolpert er durchs Schlachthof-Viertel und bringt Unruhe unters Volk. Dem Zugriff von Neo-Nazis und der Polizei kann er sich glücklich entziehen, aber ernste Schwierigkeiten kommen mit dem Kater am Tag danach: der Kabarettist Beppo Wolfertshofer gerät wegen seiner stadtbekannten Aktionen gegen Rechtsaußen in den Verdacht, der Hobby-Hitler gewesen zu sein. Die Folge: Gewalt- Drohungen aus dem rechtsradikalen Lager.

Weil Gossec eine ehrliche Haut ist, offenbart er sich dem beleibten und beliebten Kabarett-Star, der ihm das nachsieht, ihn aber um Hilfe bittet, solang er sich bedroht sehen muß. Gossec schlägt ein, kann aber dennoch einen tödlichen Anschlag auf Wolfertshofer nicht verhindern. Daß er dabei selber übel zugerichtet und der Verdacht durch falsche Spuren auf ihn gelenkt wird, läßt den Spürhund in ihm wach werden. Gossec rüstet sich zur Aufklärung des Falls. Daß er dabei erst mal dem ermittelnden Kriminalinspektor Dieselhofer in die Quere kommt, sich dann aber ein Informationsaustausch als nützlich erweist, scheint Gossec nur voran zu bringen. Der Fall ist weit komplizierter als es zunächst scheint. Stecken Neonazis hinter dem Mord? Zieht eine geheimnisvolle politische Herrenrunde die Fäden? Wie ist die Zusammenarbeit seines früheren Kompagnons Stan Bolzmann mit den Nazis zu werten - und was haben ein tödlicher Verkehrsunfall, der vor Jahren geschah und ein kleiner Stoff-Fetzen mit all dem zu tun?

Max Bronski zieht in "Nackige Engel" eine Menge Fäden, verwirrt sie nach Kräften und verliert gelegentlich dabei die Übersicht. Vorgänge und Figuren werden zu oft angerissen und dann ohne wirkliche Kontur fallen gelassen. Sein Held Gossec, eine im Grunde liebenswerte Figur mit einem Alkoholproblem und der schönen italienischen Freundin Emma (die diesmal nur für Marginalien zuständig ist) handelt impulsiv, die Kontrolle über seine Ermittlungsschritte entgleitet ihm gar zu oft, er bekommt gegen jede vernünftige Lernerfahrung pausenlos etwas über den Schädel gezogen und aufs Maul gehauen, entpuppt sich als tragische Verliererfigur. Auch wenn man ihn dennoch einfach mögen muß und die Prügel, die der bezieht, dem Leser mit weh tun: dieser Gossec-Krimi Max Bronskis gehört zu den weniger guten, ist vermutlich sogar der unausgereifteste bisher. Das Potential der Figur Gossec wird nicht ausgeschöpft.

Zum Trost veröffentlichen wir heute parallel noch einmal die Kritik zum genialen Erstling "Sister Sox".
Beispielbild

Max Bronski
Nackige Engel

Kriminalroman

© 2010 Verlag Antje Kunstmann

208 Seiten, geb.m. Schutzumschlag
16,90 €

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