Zentrum gegen Vertreibung

Offener Brief an die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel und den Deutschen Bundestag

Red.
Else-Lasker-Schüler-Stiftung Verbrannte und verbannte Dichter-/KünstlerInnen 
Zentrum für verfolgte Künste www.exil-zentrum.de; exil-club.de
 
Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft - D-42103 Wuppertal, Herzogstr. 4                               
 
 

P.E.N. Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland („Exil-P.E.N.)
 
 
Offener Brief an die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel  und den Deutschen Bundestag
Sehr verehrte Frau Kanzlerin Dr. Merkel,
sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestags!
 
Durchtrennen Sie den gordischen Knoten Zentrum gegen Vertreibung!
Die Vertreibung hat 1933 begonnen. 1945 war die Folge!
 
Das P.E.N. Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland und die internationale Else Lasker-Schüler-Gesellschaft mit Sitz in Wuppertal bitten die Bundesregierung und den Deutschen Bundestag, die Konzeption der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ zu überdenken.
Die Vertreibung hat 1933 mit dem Exodus deutscher Schriftsteller wie Thomas und Heinrich Mann, Else Lasker-Schüler, Bertolt Brecht und Intellektuellen wie Albert Einstein, Künstlern wie George Grosz,  Komponisten wie Arnold Schönberg, Architekten wie Walter Gropius, Schauspielern wie Peter Lorre oder Regisseuren wie Billy Wilder begonnen. Die Vertreibung von 1945 war Folge der  NS-„Machtergreifung“.
 
Auf dem „Zentrum gegen Vertreibung“ liegt in der jetzigen Form kein Segen. Ausländische Historiker verlassen den Beirat. Andererseits haben Politiker wie Vaclav Havel, Lennart Meri und Lech Walesa sowie Wladyslaw Bartoszewski bei Else-Lasker-Schüler-Foren in Prag und Breslau mitgewirkt und ihre Sympathie für das “Zentrum für verfolgte Künste“ bekundet. Das wurde bereits 1994 vom „Exil-P.E.N.“ und der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft im Landtag von NRW mit der Gründung einer zunächst unselbständigen Stiftung vorgestellt. Unterzeichnet von rund 50 Autoren und Autorinnen wie Herta Müller, Sarah Kirsch, Eva Demski, Günter Grass, Siegfried Lenz, Reiner Kunze, Jiři Gruša, Ulla Hahn, Johannes Mario Simmel, Ralph Giordano oder Yehuda Amichai, Uri Avnery, Paul Alsberg aus Israel. Und Salman Rushdie.
 
Dieses Zentrum befindet sich inzwischen unter dem Dach des Kunstmuseums Solingen im Aufbau mit einer Bildersammlung verfemter Maler und einer Exilliteratursammlung von nationaler Bedeutung. Das  politisch unumstrittene Zentrum arbeitet mit Werken und Biografien realer Menschen, die zu den Besten der deutschen und abendländischen Kultur gehören:
Die widerständigen Künstler und anderen Intellektuellen, die zensiert und verfolgt wurden, die ins Exil fliehen mußten, könnten Vorbilder sein für kommende Generationen. Sie bedürfen einer permanenten Darstellung, sind jener Teil unserer Geschichte, der vorzeigbar ist. Einer Geschichte, die mit diktatorischen und demokratischen Exilländern zu tun hat, aus denen heute Schüler mit sogenanntem Migrationshintergrund kommen, die jedoch vom deutschen Holocaust oder der Vertreibung der Menschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten noch weniger wissen wollen als ihre deutschen Mitschüler. Dagegen ist mit individuellen Schicksalen eine andere Form der Erinnerungskultur möglich als mit schrecklichen, aber anonymen Opferzahlen.
 
Wir bitten um eine Chance, die Thematik vom Kopf auf die Füße zu stellen, Ursache und Folgen darzustellen und die Persönlichkeiten zu ehren, die widerständig waren. Auch die Verfolgung unter dem DDR-Regime wird in dem Zentrum, wie wir es geschaffen haben, dokumentiert.
 
Diese Form der Geschichtsaufarbeitung, Erinnerung und Versöhnung klärt auf, wie es zur Diktatur und zum Weltkrieg kam. Es würdigt Persönlichkeiten, auf die wir Deutschen stolz sein können und mit denen eine moderne Erinnerungskultur betrieben werden könnte, auch im  Internet. Für das pädagogische, mehrsprachige  Internetportal www.exil-zentrum.de mit www.exil-club.de hat einst das Bundes-Bildungsministerium 2 Millionen DM zur Verfügung gestellt.
 
Die anhaltende Diskussion um das vom BdV initiierte „Zentrum gegen Vertreibung“ zeigt, daß noch immer die Gefahr besteht, die Täter zu Opfern zu stilisieren. Auch deshalb muß ein anderer Ansatz für diese Thematik gefunden werden. Die ab 1933 vertriebenen vorbildhaften Schriftsteller, Künstler und anderen Intellektuellen, die zum Teil auch aus den einst von der Wehrmacht besetzten Ländern stammen, müssen berücksichtigt und die betroffenen Staaten einbezogen werden.
 
Für eine Änderung des „Zentrums gegen Vertreibung“ aufgefordert haben 2009 im Rahmen einer Petition an den Deutschen Bundestag u.a. Wladyslaw Bartoszewski, der polnische Schriftstellerverband, der Vorstand des Deutschen Journalistenverbandes, Friedrich Schorlemmer, die Politiker Norbert Blüm, Rudolf Dressler, Sylvia Löhrmann sowie Bischöfin Maria Jepsen, die Autoren Reiner Kunze und Ingrid Bachér, die Schauspielerinnen Iris Berben und Hannelore Hoger sowie rund 2.000 weitere Persönlichkeiten.
 
gez.
Günter Kunert, Kaiborstel
Präsident des P.E.N. Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland („Exil-P.E.N.“)


gez.
Hajo Jahn,
Vorsitzender der Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft, Wuppertal
 
 
 
Diese Resolution wurde aus Anlaß einer Feier im 75. Jahr des Bestehens des „Exil“-P.E.N. am 17. März 2010 im „Zentrum für verfolgte Künste“ in Solingen formuliert und beschlossen. Sie wird am 19.3.2010 per Post an die o. g. Adressaten verschickt, ab Dienstag, d. 23.3.2010 an deutsche und internationale Medien sowie an den Zentralrat der Juden, den Vorstand des DJV, den polnischen Schriftstellerverband und den ehemaligen polnischen Außenminister Wladyslaw Bartoszewski.