Theater Hof
Faust I
Inszenierung: Michael Blumenthal - Ausstattung: Thomas Mogendorf – Fotos: SFF Fotodesign Hof Besetzung: Faust (alt): Ralf Hocke - Mephisto: Wolfgang Kaiser - Engel, Wagner, Geister, Frosch, Die Tiere, Chor, Böcke: Jörn Bregenzer - Engel, Schüler 1, Geister, Brandner, Die Tiere, Valentin, Chor, Böcke: Jens Hollwedel - Engel, Anderer Bürger, Geister, Altmeyer, Die Tiere, Chor, Böcke: Peter Kampschulte – Erdgeist, Faust (jung), Bürger, Geister: Peter Altgelt - Gott, Geister, Hexe, Böser Geist, Hexen im Chor: Angelika Koppmann - Dritter Bürger, Geister, Marthe, Chor, Hexen im Chor: Anja Stange - Geister, Siebel, Die Tiere, Lieschen, Chor, Hexen im Chor: Nina Machalz - Geister, Helena, Margarete: Polina Bachmann Ein Haufen Verlierer
Im Grunde sind sie alle Verlierer, die ganze Mannschaft, die Goethe in seinem Opus magnum auf die Bühne stellt. Faust, der Spielball zweier Mächte, das Bauernopfer Gretchen, aber auch der Herr und sein Widerpart Mephisto.Im kalten Bühnenbild von Thomas Mogendorf spielt sich das Weltendrama ab. Michael Blumenthal schuf mit seinem Dramaturgen Thomas Schindler eine angenehm verkürzte Fassung, in der alles zu finden ist, was der Bildungsbürger vom Faust erwartet, einzig die Szene auf dem Theater wird komplett gestrichen.
Und oben: die Fraugott
Blumenthal startet mit dem Prolog im Himmel. Der gefallene Engel Mephisto hält immer noch freudigen Kontakt zum Herrn, der in der Hofer Lesart eine Herrin ist. Angelika Koppmann bildet da einen wunderbaren Gegensatz zu Wolfgang Kaisers desillusioniertem Satan. Auf den ersten Blick ein guter Hirte, stellt sie sich dann doch als machtbewußter Herrscher heraus, der dem entlaufenen Lamm lieber die Kehle durchschneidet, als es in seiner Freiheit zu belassen. Daß sich das Theater Hof den Luxus leistet, auch die kleinsten Rollen mit brillanten Darstellern zu besetzen, beweisen hier Peter Kampschulte, Jörn Bregenzer und Jens Hollwedel als himmlische Heerscharen, denen beim Anblick des Bösen der Arsch auf Grundeis geht.
Koppmanns Hexenküche
Nun: die Wette gilt und Mephisto beginnt sein Werk. Blumenthal teilt die Rolle des Faust in einen Alten und einen Jungen. Ralf Hocke spielt den vom Leben und der Lehre enttäuschten Intellektuellen, dessen einzige Erlösung nur noch im ewigen Frieden zu liegen scheint. John Peter Altgeld gibt sein jugendliches alter ego. Und darin liegt die erste Crux dieser Deutung. Ist Faust nun ein weiser Greis im Körper eines jungen Mannes, oder ist er auch geistig verjüngt, seiner Erfahrungen bar und von juveniler Skrupellosigkeit? Blumenthal wird da nicht eindeutig, seine Faustfiguren vermischen sich, ja selbst Mephisto ist Teil des Menschen Faust, kann er doch den „habe nun, ach…“ Text mitsprechen.
Die Wandlung Faustens beginnt mit einer Reise nach Leipzig. Auerbachs Keller, bei Blumenthal ein Treff gelangweilter Spekulanten mit einer wunderbaren, wenngleich auch textlosen Anja Stange als Thekenschlampe, ist die erste Station. Nachdem eben diese feinen Anzugträger den Laden endgültig abgerockt haben, verwandelt sich die Bühne in die Hexenküche. Hier brilliert Angelika Koppmann als Hausherrin, die sich der Verjüngung Faustens annimmt. Mit einer von Quentin Tarantino inspirierten Spritzenszene wird aus dem Alten der Junge, und hier sieht er zum ersten Mal den Spielball der Mächtigen, sein Objekt der Begierde Margarete. Stange, Bachmann, Machalz – starke Frauen
Polina Bachmann gibt ein Mädchen, das gerne schon Frau sein würde, aber die gesellschaftlichen
Nina Machalz gibt dem Lieschen in der Szene am Brunnen die arrogante Erscheinung der höheren Tochter, das gefallene Gretchen sucht Trost bei weit höheren Instanzen. Von Faust verlassen wird sie verspottetet, während der feine Herr sich sinnlicheren Treiben hingibt. Man begibt sich zum Brocken, um der Walpurgisnacht beizuwohnen. Goethes saftig-derbe Verse, in früheren Zeiten gerne mal gekürzt und kaschiert, sind von der volksnahen Sinnlichkeit, die dem Wortkünstler auch zu eigen war. Blumenthal zitiert hier Fellinis „Casanova“ und Pasolinis „Hundertzwanzig Tage von Sodom“. Durchchoreographierte Orgien, mechanischer Pseudosex in voller Montur und halbgare Schweinigeleien nehmen Goethes Worten allerdings den Effekt, wirken unglaubwürdig und aufgesetzt. Gerettet?
Der aktuelle Hofer Faust, ein Bilderreigen in genialer Beleuchtung von Stefan Pampel besticht durch kluge Kürzungen und ein bis in die Nebenrollen überragendes Ensemble. Zum Beginn der nächsten Saison wird es den zweiten Teil geben. Man kann sich freuen.
Weitere Informationen unter: www.theater-hof.de Redaktion: Frank Becker
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