Plauderstunde

Über Immanuel Kant, Emanuel Svedenborg und König Kambles

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Konrad Beikircher
Plauderstunde

Über Immanuel Kant, Emanuel Svedenborg
und König Kambles



Ach, einen schönen guten Tag, liebe Musenblätterer, es begrüßt Sie wie an jedem Dienstagmorgen ganz herzlich Ihr Konrad Beikircher, der sich sehr darüber freut, Ihnen heute wieder eine kleine Plauderei servieren zu können, al forno sozusagen, frisch aus dem Ofen. Wir haben wieder mal Jubiläen zu feiern, z.B. Immanuel Kant! Vor 286 Jahren ist er geboren, am 22. April. Kein "runder" Geburtstag und auch schon ein paar Tage her, aber ich meine, Kant alleine ist doch Anlaß genug, sich seiner zu erinnern, oder?!

Er war ja ein recht eigenwilliger Mensch. Er war professioneller Billardspieler. Als Student hat er sich damit seinen Lebensunterhalt verdient, daß er mit einer Karambolage nach der anderen jungen Adligen ihr Geld abknöpfte. Dann wurde er Philosoph mit einer sehr sympathischen Eigenheit: er tafelte gerne, aber nicht allein. Seien wir doch mal zu Gast beim philosophischen Mahl Immanuel Kants im Kreise seiner Kollegen, die er jeden Mittag zu sich einlud, weil er ja, wie gesagt, allein zu essen für ungesund hielt. Es war natürlich weniger die Zeit feinster Zungengenüsse, Kant hielt mehr vom deftigen Reinhauen. Nehmen wir mal ein durchschnittliches Philosophenessen beim Immanuel:
es gab Suppe, danach Aal grün mit Dill, als Zwischengang den berüchtigten astpraißischen Schnaps mit dem Scheibchen Leberwurst drauf, dann kam Rinderschmorbraten, Schnäpschen mit Leberwurst, dann Stör mit diversen Gemüsen, Schnaps mit Leberwurst, Schinken, Käse und Räucherwurst, wieder ein Schnäpschen mit Leberwurst, schließlich Passha und Digestifs (oder "Verdauerli", wie unsere Schweizer Nachbarn sagen). Begleitet wurde das Mahl von Cröver Nacktarsch und Rosenmuskateller, den ein Kollege aus dem Burgenland mitgebracht hatte. Rosenmuskateller war einer von Kants Lieblingsweinen.

Bei so einer Speisenfolge ist eines natürlich klar: ganz so hoch kann der Gedankenflug der Gespräche nicht mehr werden, wenn Dein Bauch Dich in den Sessel quetscht und der Rosenmuskateller Dir den Mund zuklebt. Ich stelle mir das schon eher rustikal vor, wenn da z.B. Herr Emanuel Swedenborg, ein berühmter schwedischer Kollege unseres Philosophen, zu Gast war.
Kant: “Also, wie jesacht, verehrter Kollege Swedenborg, Jeschmack ist eine Kategorie, die, wie soll ich sagen..“
Swedenborg: “Aber, lieben Kollegen Kanten, öber Geschmöcken soll man nicht ströiten, Geschmöcken soll man genießen, smorrebrood, smorrebrood, rompompompom..“
Kant: “Na, na, lieber Swedenborg, Jeschmack ist eine rein jeistije Kategorie: Was jut ist, kann nicht jileichzai-tich schlacht sein! Dies wäre eine, wie heißt es jleich, contradictio in terminis, ein Terminwiderspruch, weil, wie jesacht, was jut ist, nicht schlacht sein kann. Jatzt nicht und später auch nicht! Noch ein Schluck Muskateller?“
Gut, nun hat allerdings unser Kant auch so philosophiert, wie er gegessen hat: kalorienreich und schwer verdaulich. Das waren ja auch noch wirklich andere Zeiten damals.
 
Ach, wo wir gerade vom Essen sprechen: wissen Sie, seit wann es Speisekarten gibt? Eine der ersten Erwähnungen liefert uns Athenaios von Naukratis. Er hat Ende des 2. Jahrhunderts nach Christus sein Buch „Das Gelehrtenmahl“ geschrieben, eine wundervolle Sammlung von Anekdoten und Geschichten rund ums Essen, eine gescheite Plauderei über Dit un Dat, es geht ja schließlich um alles. Er schreibt z.B., daß Aristoteles einmal gesagt habe, daß Betrunkene aufs Gesicht fallen, wenn sie Wein getrunken haben, und auf den Rücken, wenn sie Bier getrunken haben. Warum? Weil der Wein den Kopf schwer macht, deshalb fällt man nach vorne, während das Bier betäubt, was natürlich dazu führt, daß man auf den Rücken fällt. Ja und wohin fällt der Alt-Trinker? In sich zusammen, denk ich mal!
Athenaios erzählt, daß es schon bei den alten Griechen Speisekarten gab: die Gäste haben, sobald sie sich zum Essen hingelegt haben, ein Schiefertäfelchen mit der Menufolge bekommen. Schön!
Er erzählt auch, daß die Weichtiere das Verlangen nach Liebe anregen, insbesondere die Polypen, zwei frittierte Calamari-Ringe und du bist geliefert sozusagen und damit es einem wohlig den Rücken runterschauert, hat er immer wieder kleine Gruselgeschichten eingestreut François Rabelais hat das in seinen "Gargantua und Pantagruel übernommen):
Der König der Lyder, Kambles, war ein Feinschmecker der gröberen Sorte. Im Heißhunger habe er nachts seine eigene Gemahlin geschlachtet und gegessen. Dazu hat er wohl etwas zu viel getrunken, denn am Morgen habe ihm - wie bei Max und Moritz die Hühnerschenkel - die Hand seiner Frau noch aus dem Hals geschaut, woraufhin er umgebracht worden sei. Furchtbar, nicht wahr? Ganz furchtbar!
Das klingt jetzt irgenswie auch ein bißchen nach dem ollen Shakespeare singem Titus Andronicus und ich hör Sie schon rufen: "Jetz´ isset ewwer jot, am frühen Morgen!". Recht haben Sie.

Stecken Sie bei einem duftenden Kaffee im bequemen Balkonsessel die Nase in die Morgenzeitung, suchen Sie sich nur die guten Nachrichten heraus, gießen Sie die Geranien und genießen Sie den herrlichen Frühsommertag.

Ich wünsche Ihnen alles Gute (und heute mittag ein leichtes Mahl!)

Ihr
Konrad Beikircher



© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker