Musikstunde

Eine Plauderei über Hugo Wolf, Richard Strauss und ein bißchen Johannes Brahms

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Konrad Beikircher
Musikstunde

Über Hugo Wolf, Richard Strauss
und ein bißchen Johannes Brahms

Schön, daß Sie, wie Dienstags ja gewohnt, mal in den Musenblättern nachschauen, was der Beikircher wieder zu erzählen hat. Das freut mich! Ich hab´ mich an Sie gewöhnt - man kennt sich ja mittlerweile auch schon ganz gut, und da denke ich, was ich Ihnen heute zu erzählen habe, könnte Ihnen Spaß machen. Also:

Es geht natürlich um Musik und wieder ein paar kuriose Geschichten dazu. Des wundervollen Frederic Chopin haben wir ja, wie sich das gehört, jüngst bereits gedacht, jetzt möchte ich an Hugo Wolf erinnern, der am 13. März vor 150 Jahren geboren wurde und zwar in Windischgraetz, heute Slovenj Gradec in Slowenien, ein paar Kilometer von der Südsteiermark weg, was damals niemanden interessierte, weil ja eh alles k.u.k. war. Im slowenischen Graz also, das bedeutet nämlich Slovenj Gradec, gedenkt man heute noch des großen und etwas tragisch angehauchten Komponisten, indem man in seinem Geburtshaus die Musikschule untergebracht hat und das freut den genialen Lied-Komponisten sicher da oben auf Wolke 9. Wir wissen natürlich, daß seine großen Meriten die Vertonungen der Mörike-Gedichte, das spanische und das italienische Liederbuch sind, um nur die wichtigsten zu nennen, er hat aber eine Menge anderer Werke geschrieben, darunter auch eine sehr feine Oper, „Der Corregidor“.
 
Und die könnte wirklich öfter aufgeführt werden, weil sie wundervolle lyrische Stellen hat. Hugo Wolf hat sein Leben lang darunter gelitten, daß er „nur“ als Liedkomponist Geltung hatte, allerdings war er da nicht immer wirklich realitätsnah. Er konnte vollkommen ausflippen, wenn er auf Mörike angesprochen wurde und war sehr enttäuscht von seinem Freund Gustav Mahler, der als Chef der Wiener Staatsoper seine Oper nicht aufführen wollte. Das hat ihn so getroffen, daß er durch Wien gelaufen ist und sich selbst als Opernchef ausgegeben hat, was dazu geführt hat, daß er im September 1897 in die „Privat-Irrenanstalt“ des berühmten Dr. Svetlin eingeliefert wurde, in den berühmten Erdberger „Narrenturm“ in Wien. Alexander Girardi, der große Volksschauspieler und Komiker im Wien der Jahrhundertwende, war auch eine Zeitlang dort. Von ihm stammen die legendären Worte: „Bist amal drin – beim Svetlin – dann bist hin“. Der Therapie-Erfolg vom Dr. Svetlin war mäßig: im Januar 1898 wurde Hugo Wolf entlassen um im Oktober desselben Jahres nach einem Selbstmordversuch in die Landesirrenanstalt eingeliefert zu werden, wo er 1903 starb.
 
Richard Strauss hat Hugo Wolf sehr geschätzt und z.B. in Bezug auf die Oper „Der Corregidor“ geschrieben, deren Aufführung er fördern wollte: „Jedenfalls freut es mich, wenn eine Aufführung ein bißchen dazu beitragen kann, den Namen eines so hervorragenden Musikers wie Wolf in die Öffentlichkeit zu bringen.“ Der Komponist Hugo Wolf war den Zeitgenossen aber vor allen Dingen ein hochgeschätzter Musikkritiker: die Wiener liebten vor allen Dingen sein boshaft-aphoristisches Talent. Er war der geniale Wortführer der Brahms-Gegner in Wien. Er schrieb immer wieder bissige Verrisse, die Brahms im Roten Igel gerne seinen Freunden genußvoll vorlas. Sätze wie „Dr. Brahms hat es zur Meisterschaft gebracht im Komponieren ohne Gedanken“ machten in Wien die Runde. Ihm fiel natürlich auch zur Vierten etwas ein, und zwar zum ersten Satz, nämlich (zur Melodie zu singen): „Es fiel – ihm wie – dermal – nix ein!“. Und zum grandiosen B-Dur Klavierkonzert, dem zweiten, schrieb er gar: „Die zweite Nummer war: Brahms‘ Klavierkonzert in B-dur, vom Komponisten selber gespielt! Wer dieses Klavierkonzert mit Appetit verschlucken konnte, darf ruhig einer Hungersnot entgegensehen; es ist anzunehmen, daß er sich einer beneidenswerten Verdauung erfreut und in Hungersnöten mit einem Nahrungs-Äquivalent von Fenstergläsern, Korkstöpseln, Ofenschrauben u. dgl. mehr sich vortrefflich zu helfen wissen wird. Mit den Augen eines löblichen Sanitäts-Kollegiums betrachtet, ist das Brahmssche B-Dur-Konzert ganz gewiß nicht zu unterschätzen, - einstweilen unterliegt dessen Wertschätzung freilich noch der Begutachtung einer musikalischen Kritik, die, so fromm, so human, so Brahms-vergötternd sie sich auch gibt, an wahrem Christentum der meinen noch lange nicht nahe kommt, denn ich habe, da an der Musik dieses Werkes leider nichts zu loben war, sofort auf seine, ihm innewohnende Heilkraft bezüglich einer radikalen Magenkur hingewiesen und die Nützlichkeit betont, die dem Staate im Falle einer Hungersnot aus dem Genusse des Sprudels dieser Brahmsschen Melodienquelle erwachsen dürfte. Da ferner ein Musikreferent doch zuweilen auch über Musik schreiben soll, glaubte ich, am besten zu tun, mit einem andächtigen Kreuz an dem den Qualen des Scheintodes verfallenen Werke voll trauernden Mitleides vorüberzugehen und ihm die ewige Ruhe zusamt den ewigen Freuden des Himmelreiches aus vollem Herzen zu wünschen, welches letztere aber doch so lange noch unterbleiben möge, bis sich die Musikwelt den Magen gründlich daran verdorben oder auch durch dieses Konzert so gestählt worden ist, daß wir eine Hungersnot mit Lachen und Scherzen begrüßen können.“
 
Das war bös, und der große Johannes Brahms hat solche Schelte gewiß nicht verdient. Ebensowenig wie der Fußballkünstler Klose eine Rote Karte im Spiel gegen Serbien, das ja auch mal k.u.k. war. Aber wir sehen ja, Brahms hat´s mit Humor getragen und ist zu einem der bis heute meistaufgeführten Komponisten geworden. Jetzt wollen wir es ihm und den deutschen Nationalkickern gönnen, daß sie doch noch das eine oder andere Ründchen weiterkommen. Ich schalte ja als musikalischer Mensch bei den Fußballübertragungen aus Südafrika den Ton ab (Kollege Bilsing hat völlig Recht), das Getröte ist einfach keinem Ohr zuzumuten.
 
Ich wünsche Ihnen viel Brahms, Wolf und Fußballspaß!
 
Ihr
Konrad Beikircher



© Konrad Beikircher - Erste Veröffentlichung in dieser Form in den Musenblättern 2010
Redaktion: Frank Becker