Stuttgart 21 - Fernsehdiskussion auf Phoenix

Ein offenes Wort

von Peter Bilsing

Foto © Frank Becker
Das Ende vom Anfang
 
Für Sie reingeschaut: Phoenix am 22.10.
Stuttgart 21 -  6 Stunden offene TV-Diskussion
Win ärgerliches Faß ohne Boden
Am Ende bleiben die üblichen Verdächtigen
Ergebnis - 1 : 0 für die Gegner
 
Nun sitzen sie sich also gegenüber; auf der einen Seite die hochbezahlten und immer noch nach internationalem Gold (Börse!) gierenden Vertreter der Bahn, die nicht nur „überfälligen“ Fortschritt endlich realisieren, sondern auch ihr Einkommen mehren wollen. Wer will das nicht? Bei börsennotierten Unternehmen, wie bei dem Weltkonzern DB, steigt ja bekanntlich das Honorar der Chefetage und der Aufsichtsratspersonage schnell mal eben ins 7-Stellige. Schöne Motivation, denn nichts treibt den Menschen doch so um und an wie die Gier. Entsprechend die Reaktionen der Bahnvertreter in der Diskussionsrunde: Hohnlachen, Redner der Gegenseite unterbrechen, Kompetenz in Frage stellen, und immer wieder sogenannte Gutachten zitieren. „Gut“ sind diese allerdings mal wieder nur für die Bahnvertreter, welche sie auch in Auftrag gaben. Wes Brot ich eß, des Lied ich sing. Bezahlt hat sie aber der alltägliche Bahnkunde.
 
Laut unabhängigem (?) Gutachten der Bahn ist im 8-gleisigen neuen Bahnhof um ein Drittel mehr Verkehr möglich als im alten Sackbahnhof. Die Gegenseite beweist ohne Gutachten anhand einer einfachen Tafelrechnung: Zumindest ganz konkret (!) fahren dann zukünftig zwischen 7 h und 8 h morgens erheblich weniger Züge. Widerspruch! Nö, das theoretisch mögliche Mehr an Zügen des Bahngutachtens bezieht sich auf theoretische Zeiten, wo keiner diese Züge benötigen würde. Was für ein raffinierter statistischer Trick! Man kann wirklich nur den Gutachten/Statistiken trauen, die man selber gefälscht hat. Wer sagte das bloß….?
 
Ein Aufsichtsratmitglied zitiert allen Ernstes als wichtigen Argumentationsbeitrag einen Zürcher Fahrdienstleiter, der irgendwo irgendwann einmal gesagt haben soll, daß in Zürich die 4 Durchfahrgleise erheblich mehr Züge zulassen, als die 16 Sackbahnhofgeleise. Geißler fragt gezielt nach, was er damit sagen wolle in Bezug auf Stuttgart 21.
Im Laufe des Diskussionstages stellt sich immer mehr heraus, daß die Befürworterseite zwar nicht offen lügt, aber trickst wie der Teufel, Mogelpackungen präsentiert und mit sprachlicher Raffinesse, Tücke und Hinterlist arbeitet. Kopfschütteln allerorten.
 
Immer mehr bekommt die Öffentlichkeit den Eindruck, daß sie bisher von Bahn und Politik auf Übelste verschaukelt wurde. Vieles von dem, was angeblich auf demokratischem Wege zustande kam, fand in Geheimsitzungen (ohne Öffentlichkeit) statt, und praktisch alle Gutachten sind unstimmig bzw. hanebüchen einseitig lückenhaft. Hier mal eben etwas vergessen, dort mit anderen Zeiten und Zahlen gerechnet; und die Krönung es strozt nur so von fiktiven Annahmen; Kaffeesatzleserei („wir müssen natürlich den technischen Fortschritt in der Zukunft einkalkulieren“) wird als wissenschaftliche Studie verkauft.
 
Immer wieder unterbricht Geißler und fragt konkret nach – was für eine intellektuelle Wachheit und Lebendigkeit strahlt doch dieser 80-jährige aus! Wie lange wird er das Geplänkel und die offensichtlichen Zermürbungs-Spielchen der staatlichen Seite mitmachen.? Ich mache mir Sorgen, daß hier ein hochkompetenter Demokrat verschlissen wird…
 
Und dann kommt immer wieder die berechtigte Frage auf: geht es hier überhaupt um Fortschritt, besseren Dienstleistungswillen und Bundesbahnkomfort, oder steht dahinter eigentlich nur ein gigantisches Immobiliengeschäft vor Ort. Sofortiges höhnisches Grinsen einiger Verantwortlicher - seltsam! Ein Gesicht sagt oft mehr als Worte, gut daß alles live ist.
 
Meine Prognose: Die Sache wird nach spätestens zwei Wochen abgebrochen, wenn es so weiter geht. Bisher war es nur die übliche TV-Talkshow mit den üblichen Fronten und mit den immergleichen Floskeln auf der Nichtaufklärerseite. Nach 6 Stunden zum Gähnen – am Ende bleiben wieder die üblichen Verdächtigen.
 
Peter Bilsing