Norddeutsche Kultur-Notizen

Die Kolumne

von Andreas Greve

Foto © Arne Weychardt
Norddeutsche Kultur-Notizen

Die Kolumne
von Andreas Greve


 
Hamburg: Für tot ganz schön lebendig
 
Über zwei Monate wurde alle Kultur in Hamburg zurückgestellt und stattdessen um ihren Bestand gerungen. Das hat die Hansestadt einerseits in kürzester Zeit im ganzen Land als UN-KULTUR-STÄTTE berühmt gemacht und andererseits viele hanseatische Künstler von der Arbeit abgehalten, weil es zu diskutieren, zu demonstrieren und zu petitieren galt. Als „kleinstes Licht der Stadt“ in dieser Auseinandersetzung wurde der frischbestallte, aber bereits arg mitgenommene, CDU-Kultursenator Stuht ausgemacht, der taube unter den blinden und geblendeten Polikraten des derzeitigen Senats, in dem die Grünen mit ihren opportunistischen Pirouetten die unappetitlichste aller politischen Rollen spielen. Das von ihnen mitverantwortete "Stuht 21" hier im Norden wird ihnen jedenfalls keine WählerIn-Gunst bringen. Devot kleidet Grün-Alternative schlecht.
 
Kurz: Es lohnt sich also wieder, nach Hamburg zu fahren, nicht nur, um dem nun doch nicht zum 1. Januar 2011 geschlossene Altonaer Museum einen Krankenbesuch abzustatten, sondern auch wegen einiger Ausstellungen neuerer, älterer und photographischer Bild-Kunst und natürlich wegen des zu beklatschenden Theater-Weiterlebens.
 
 
An allen Fronten
 
Gilla Cremer, die phantastische Ein-Frau-Theater-Schauspielerin, kann man im November kurz in Hamburg anschauen – sie kommt aber auch mit ihren Stücken den Zuschauern entgegen, indem sie mit ihren Projekten und Produktionen unermüdlich ganz Schland bereist (www.theater-unikate.de).
Ihre neue Attraktion: „An allen Fronten – Lili Marleen & Lale Andersen“. Wirklich erstaunlich, wie Gilla Cremer es schafft, das immerhin nicht kurze Künstler-Leben von Lale Andersen auf zwei Stunden

Foto © Gilla Cremer
Bühne down zu sizen (dieser Ausdruck ist doch fast so charmant wie „runter zu brechen“). Die Cremer singt es, sie tanzt es, sie liest und deklamiert es auf eine Art und Weise, daß man ihr nach der Vorstellung umgehend einen Strauß roter Rosen ins Hotel bringen lassen möchte. Ihr – und nicht etwa Lale Andersen.
Gilla Cremer kann in diesem Stück deutsche Geschichte so aufarbeiten, daß man sich immer noch schämt, aber nicht mehr so oft rot wird. Weil das ambivalente Leben einer ambivalenten Person so glaubhaft dargestellt wird, daß man sich mit ihr in ihren eigenen Widersprüchen verfängt. Das ist kein Lehrstück, sondern ein Lebensstück. Ja, ein Lebens-Lust-Stück mit hohem Musik-Anteil über eine Rampenlicht- Süchtige, deren schicksalsentscheidende Zufalls-Melodie „Lili Marleen“ im Zweiten Weltkrieg zwischen allen Fronten gespielt wurde. Unbedingt anschauen! Hier, dort oder da: www.hamburger-kammerspiele.de
 
Nächste Termine:
15.11. Hamburg Winterhuder Fährhaus – (Knef)
21.-23.11. Hamburger Kammerspiele – (Lili Marleen)

Redaktion: Frank Becker